© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/24 / 02. Februar 2024

(Fast) alle lieben ihn
Wahlen in El Salvador: Nayib Bukele will eine zweite Amtszeit. Die Opposition glaubt, daß die Verfassung das verbiete
Lorenz Bien

Nayib Bukele ist wieder in den Nachrichten. Diesmal nicht wegen seiner ungewöhnlichen Methoden der Verbrechensbekämpfung, sondern aufgrund der anstehenden Präsidentschaftswahlen am 4. Februar. Für die möchte sich der 42jährige Politiker nämlich erneut aufstellen und hat dabei auch gute Chancen auf einen Sieg. Das Problem: Die Verfassung des Landes verbietet Staatschefs eigentlich, zwei Amtszeiten in Folge anzutreten. Soweit die Ansicht von Bukeles Kritikern. Er selbst beantragte im Dezember beim Parlament, ihn für sechs Monate zu beurlauben, was auch bewilligt wurde. Da seitdem seine Parteikollegin Claudia Juana Rodríguez de Guevara die Staatsgeschäfte führt, läge eine formal verfassungskonforme Pause zwischen beiden Amtszeiten. Bereits 2021 hatte das Oberste Verfassungsgericht grünes Licht für eine zweite Amtszeit Bukeles gegeben. Kritiker wie die damalige Hohe Kommissarin für Menschenrechte der UN, Michelle Bachelet, überzeugte dies wenig. Sie wies darauf hin, daß die Verfassungsrichter zuvor vom Parlament eingesetzt worden seien und Bukeles Partei „Nuevas Ideas“ dort die Mehrheit habe.

Bandenkriege und Überfälle gehörten zum Alltag

Wenn es nach den jetzigen Umfragen geht, scheint dem Präsidenten ein erneuter Sieg sicher. Je nach Umfrageinstitut würden ihn etwa 70 bis 80 Prozent aller Bewohner des kleinen zentralamerikanischen Landes wiederwählen. Wie erklärt sich dieser Erfolg? Die politische Karriere von Nayib Armando Bukele Ortez, wie er mit vollem Namen heißt, begann jedenfalls unauffällig. Am 24. Juli 1981 in San Salvador, der Hauptstadt von El Salvador, als Sohn eines Imams palästinensischer Abstammung geboren, nahm seine politische Karriere im im Jahr 2012 Fahrt auf, als er zum Bürgermeister der Stadt Nuevo Cuscatlán gewählt wurde. Anschließend gewann er die nächste Bürgermeisterwahl, diesmal in der Hauptstadt San Salvador, welche er von 2015 bis 2018 regierte. Im Jahr 2017 wurde er von seiner Partei „Frente Farabundo Martí para la Liberación Naciona“ (Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí) ausgeschlossen und gründete seine eigene Partei „Nuevas Ideas“ (Neue Ideen). Mit dieser Partei gewann er Jahr 2019 die Präsidentschaftswahl. Zum ersten Mal votierten die Salvadorianer damit für einen Kandidaten außerhalb der etablierten Parteien Farabundo Martí oder Allianza Republicana Nacionalista. Daß er es auch diesmal schaffen könnte, hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß der ehemalige Geschäftsmann das Land von einer langlebigen Geisel befreite: Gewalt und Bandenkriegen. Mit 103 Morden pro 100.000 Einwohnern bildete El Salvador im Jahr 2015 den Mittelpunkt des organisierten Verbrechens in Mittelamerika. Sieben Jahre später, drei Jahre nach Bukeles Amtsantritt, lag die Rate nur noch bei 7,8 Morden. 

Gleich zu Beginn seiner Amtszeit arbeitete Bukele einen konkreten Sicherheitsplan aus, um den Einfluß krimineller Organisation wie der Maras Salvatrucha, auch bekannt unter dem Namen MS-13, zu unterbinden. Der Plan enthielt drei Punkte: 1. den Banden finanziell schaden; 2. die Zentren der Großstädte zurückgewinnen; 3. Die Kommunikation für Insassen im Gefängnis abschneiden. Es funktionierte. Im Jahr 2020 war die Mordrate auf die Hälfte herabgesunken.

Zwei Jahre später drohte sie bereits wieder zu steigen. Nachdem an einem Tag 62 Morde gezählt wurden, verhängte Bukele einen landesweiten Ausnahmezustand, der es der Polizei ermöglichte, Festnahmen ohne Haftbefehl durchzuführen. Dazu führte die Polizei in El Salvador Großrazzien im ganzen Land durch. So etwa in der Metropole Soyapango, welche komplett von etwa 10.000 Soldaten umstellt und anschließend, Haus für Haus, nach Bandenmitgliedern durchsucht wurde. Innerhalb kurzer Zeit wurden insgesamt 58.00 Bandenmitglieder festgenommen. Um sie unterzubringen wurde ein gewaltiges Gefängnis gebaut, welches 40.000 Insassen beherbergen kann. Die Gefangenen haben dort keinen Anspruch auf Besuche, es gibt keine Workshops oder Bildungsprogramme.

Bukeles gnadenloses Vorgehen stößt bei Menschenrechtsorganisationen auf massive Kritik. „El Salvadors Präsident Bukele muß den Kurs ändern, bevor es zu spät ist“, schrieb Amnesty International bereits vor der Inhaftierungswelle. Der Vorwurf: Bukeles Methoden würden den Rahmen der Legalität verlassen. So ordnete er etwa die Entlassung mehrerer Verfassungsrichter sowie des Generalstaatsanwalts an – eine Vorgehensweise, die die Verfassung des Landes eigentlich untersagt.

„Fragt doch die Leute, was sie von dieser sogenannten ‘Diktatur’ halten. Hört auf, den Leuten in irgendwelchen Büros, weit weg von diesem Land, zu glauben“, antwortete Bukele in einer Rede seinen Kritikern aus dem Ausland. 

Lediglich neun Prozent der Bevölkerung nutzen Bitcoin

Ebenfalls ungewöhnliche Wege geht der Präsident mit seiner Finanzpolitik. Seit September 2021 ist die Krypto-Währung Bitcoin gesetzliche Landeswährung. „Das Bitcoin-System ist einfach perfekt. Es ist die Zukunft. El Salvador hat sich bisher nicht dadurch ausgezeichnet, ein Land der Innovationen zu sein. Aber warum nicht dieses Mal?“, kommentierte Bukele die Umstellung. Doch das Projekt ist umstritten. Aufgrund des stark schwankenden Kurses büßte El Salvador bis zum August etwa 180 Millionen Dollar Steuergelder ein.

 Lediglich neun Prozent der Bevölkerung nutzten noch 2022 die entsprechende Bitcoin-App. Offenbar verbrauchten die meisten lediglich ihr ursprüngliches Startguthaben. Im Jahr 2023 waren es dann immerhin zwölf Prozent. Im Dezember schnellte der Bitcoin-Wert schließlich erstmals auf einen Wert, der den des Kaufpreises überstieg. „Ihr könnt eure Kritik widerrufen und euch entschuldigen“, triumphierte Bukele gegenüber den Zweiflern des Konzepts. „Wir schreiben schwarze Zahlen.“ Doch viele Finanzexperten sind weiterhin mißtrauisch. „Wenn man alles zusammenzählt, ist das Ergebnis nicht positiv“, betont Oscar Picardo, Direktor des Instituts für Wissenschaft an der Francisco Gavidia Universität in San Salvador. „Die Regierung hat viel Geld für die Entwicklung der Chivo-Wallet-Anwendung, für die Installation von Geldautomaten, die meist nicht funktionieren, für eine 30-Dollar-Prämie für alle Bürger über 18 Jahre, für Propaganda und internationale Veranstaltungen ausgegeben“, zitiert ihn die BBC.

Insgesamt scheint das Land allerdings eine stabile Wirtschaft aufzuweisen. Im Jahr 2023 wuchs die Wirtschaft um 2,8 Prozent, während die Arbeitnehmerquote mit 47 Prozent ihren derzeitigen Höchststand erreichte.