© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/24 / 02. Februar 2024

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Verehrte Cora Stephan, kürzlich haben Sie für die Schweizer Weltwoche (Ausgabe vom 4. Januar) sehr wohlwollend, fast schon hymnisch, das Buch „Willkommen im falschen Film. Neues vom  Menschenverstand in hysterischen Zeiten“ der auch von mir geschätzten Kabarettistin Monika Gruber besprochen. Leider zitieren Sie daraus als Beleg für den hierzulande grassierenden Schwachsinn auch den Fall aus Osnabrück, wonach die Stadt Karussells mit Autos, Lkws, Motorrädern, Flugzeugen und exotischen Tieren verboten habe. Vermeintliche Begründung des Stadtbaurats: Der motorisierte Individualverkehr sei „ganz klar ein Konzept von gestern“. Dummerweise nur ist Monika Gruber hier einem Satirebeitrag der Neuen Osnabrücker Zeitung aufgesessen, der zudem fünf Jahre alt ist. Seither geistert er jedoch immer wieder mal durch Social-Media-Kanäle und sorgt für Empörung. Dabei hätte eine einfache Recherche genügt, um die Sache aufzuklären. Merke: Der Zweck heiligt nicht die Gutgläubigkeit.

Der Landschaftsfotograf Kilian Schönberger

wandelt auf den Spuren

Caspar David Friedrichs.

Siegfrieds Trauermarsch aus Richard Wagners „Götterdämmerung“: tränennahe Überwältigungsmusik, Erschütterung bis ins Mark, Seelenpein – „zur erinnernden und zugleich tragisch festlichen Apotheose dieses Heldenschicksals, dieses göttlichen Traums von einem freien Menschen“ (Musikwissenschaftler Erich Rappl). So erlebt am Montag voriger Woche in „Der Ring an einem Abend“ (Streifzüge vom 5. Januar) in der Berliner Philharmonie.


Von Caspar David Friedrich stammt der Satz: „Ich muß allein bleiben und wissen, daß ich allein bin, um die Natur vollständig zu schauen und zu fühlen; ich muß mich dem hingeben, was mich umgibt, mich vereinigen mit meinen Wolken und Felsen, um das zu sein, was ich bin, die Einsamkeit brauche ich für das Gespräch mit der Natur.“ Der Maler der Romantik berichtet hier von einer Gemütsverfassung, die heutzutage auch den Landschaftsfotografen Kilian Schönberger ergreift, wenn er durch die Natur schnürt und Aufnahmen macht. Für seinen neuen opulenten Bildband hat der 39jährige den Motiven und der romantischen Atmosphäre in Friedrichs Gemälden nachgespürt. Dabei haben es ihm besonders die mystischen Nebelstimmungen angetan, wie Gegenüberstellungen seiner Fotogafien und der schönsten Gemälde von Caspar David Friedrich zeigen. Stationen seiner Reise: Nord- und Ostsee (Cuxhaven bis Rügen), das flache Land vom Spreewald bis an den Niederrhein, durch Westerwald, Harz und das Elbsandsteingebirge, das Land vor den Bergen vom Bodensee durchs Allgäu bis in den Chiemgau und schließlich im Gebirge rund um Watzmann, Zugspitze und Kampenwand. Ein Augenschmaus!

Kilian Schönberger: Lockruf der Einsamkeit. Eine fotografische Sehnsuchts-reise auf den Spuren von Caspar David Friedrich. Merian München 2023, gebunden, 192 Seiten, 45 Euro