© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/24 / 08 März 2024

Baumhäuser statt E-Autos
Tesla: Nach dem Bürgervotum gegen die Erweiterung der Gigafactory wurde die Stromversorgung des Werks sabotiert
Paul Leonhard

Seit 2021 hat sich der Tesla-Aktienkurs halbiert. Elon Musk ist durch den Twitter-Kauf mit 203,3 Milliarden nur noch der zweitreichste, dafür aber bei woken Zensoren der meistgehaßte Mann der Welt. Der chinesische Konzern BYD hat im vierten Quartal 526.409 E-Autos verkauft – Tesla nur 484.507. Das Abwasser aus der Gigafactory im brandenburgischen Grünheide bei Berlin, in der seit 2022 der Tesla Y montiert wird, stellt für die Berliner Wasserbetriebe (BWB) zwar keine Gefährdung der Trinkwasserversorgung der Bundeshauptstadt dar, doch der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) sieht das anders.

Ende Januar kam es im einzigen europäischen Tesla-Werk zu einem zweiwöchigen Produktionsstopp, weil infolge der Kämpfe im Roten Meer die Lieferkette nicht mehr funktionierte und dringend benötigte Bauteile nicht pünktlich eintrafen. Und im Februar sprachen sich die Bürger von Grünheide mit 62-Prozent-Mehrheit gegen die Ausbaupläne des Unternehmens aus. Auch wenn dieses Votum nicht bindend ist, hat es doch Dutzende Aktivisten der Initiative „Tesla stoppen“ ermutigt, Teile des für die Werkserweiterung vorgesehenen, 118 Hektar großen landeseigenen Waldes, zu besetzen und sich in Baumhäusern zu verschanzen. Die Polizei will die Protestler bis 15. März in Ruhe lassen.

Sympathisanten werden aufgefordert, Bauholz, Kletterausrüstung und Hängematten mitzubringen. „Veteranen“ von Widerstandsaktionen wie im Braunkohle-Dorf Lützerath oder im Hambacher Forst in NRW sind vor Ort. Die „gewaltfreie Aktionsgemeinschaft“ Robin Wood hat eine Plattform errichtet, wirbt mit Feldküche und „Schnupperklettern“. Die Bürgerinitiative Grünheide, die sich von der AfD distanziert, aber am 10. März mit der Linksjugend Solid und Extinction Rebellion unter dem Motto „Tesla den Hahn abdrehen“ demonstrieren will, hat sich mit den Waldbesetzern solidarisiert. Sie freue sich, daß sich so viele junge Menschen für das Wasser und für den Wald einsetzten, erklärte Manuela Hoyer vom Trägerverein für Natur und Landschaft in Brandenburg (VNLB).

„Früher wurde jedes Großprojekt begrüßt, wenn es Arbeit brachte“

All das ist harmlos, vergleicht man es mit dem, was die im Untergrund agierende „Vulkangruppe Tesla abschalten!“ am 5. März gegen gegen fünf Uhr früh gemacht hat: Einen Hochspannungsmast und Starkstromleitungen auf einem Feld in Steinfurt bei Freienbrink „flambiert“, um so die Energieversorgung der Tesla-Gigafactory zu unterbrechen. Man habe „das Feuer groß und hoch mit vielen Autoreifen angelegt, um die Stahlkonstruktion zu schwächen und eine Instabilität des Masts herbeizuführen“, heißt es im Bekennerschreiben der linksgrünen „Sabotagegruppe“. Und es soll so weitergehen: „Der Stillstand der Produktion der Automobilindustrie ist der Anfang vom Ende einer Welt der Zerstörung.“ Das „Leuchtfeuer gegen Kapital, Patriarchat, Kolonialismus und Tesla“ hat die Produktion im Werk tatsächlich zum Erliegen gebracht. Es wurde sofort geräumt, durch den mehrtägigen Arbeitsausfall und die technischen Folgen sind Tesla wahrscheinlich Unkosten „im hohen neunstelligen Bereich“ entstanden.

Auch in den umliegenden Gemeinden und sogar Teilen von Berlin fiel bei Tausenden Haushalte und sogar Krankenhäusern bis etwa 10 Uhr der Strom aus. Es war offensichtlich nicht der erste „terroristische Akt“, wie Brandenburgs SPD-Wirtschaftsminister Jörg Steinbach den Anschlag nannte. Die „Vulkangruppe“ hat seit 2018 offenbar schon mehrere Kabelbrände verursacht und 2021 die Gigafactory-Baustelle sabotiert. Elon Musk hat sich zu dem jüngsten Sabotageakt via dem Twitter-Nachfolger X geäußert: „Das sind entweder die dümmsten Öko-Terroristen der Welt oder sie sind Marionetten jener, die keine guten ökologischen Ziele haben“, denn „die Produktion von E-Autos statt der von Verbrennerautos zu stoppen, ist extrem dumm“, so der Tesla-Chef.

Doch die „Vulkangruppe“ und ihre ideologischen Stichwortgeber wollen jedes Auto „auf den Müllhaufen der Geschichte“ werfen und dafür den „kostenlosen“ ÖPNV „ausbauen“. Der „grüne Kapitalismus“ stehe „für Kolonialismus, Landraub und eine Verschärfung der Klimakrise! Die Lithium-Batterien kommen aus giftigen Minen in Chile und verschlingen andere seltene Metalle“ – sehen die Robin-Wood-Aktivisten ähnlich. Und hinter Parolen wie „Das Auto als Waffe“ und „Die Straße das Schlachtfeld“ stehen auch Berliner Fahrradaktivisten. Ob Tesla angesichts dessen weiterhin vor hat, die Tesla-Produktionkapazität in Brandenburg auf 500.000 oder eine Million Fahrzeuge jährlich zu erhöhen, ist nun vielleicht fraglich – in anderen EU-Ländern scheint es sicherer.

Und gibt es überhaupt genug Nachfrage für so viele E-Autos? Der Grundpreis für das dortige „deutsche“ Tesla-Model Y liegt bei derzeit etwa 45.000 Euro. Für die 3.000 bis 4.500 Euro Verkaufssubvention („Umweltbonus“) ist seit 18. Dezember im Ampel-Haushalt kein Geld mehr da. Und die Idee von einigen „grünen“ Dax-Vorständen, ihren Mitarbeitern nur noch E-Autos als Dienstwagen zu genehmigen, dürfte die gestrichene Steuerzahlerhilfe nur teilweise ausgleichen: Wer mit dem Auto wirklich arbeiten muß, kann sich in der Regel stundenlange Ladestopps nicht leisten.

Der von der Ampel als „Ostbeauftragter“ eingesetzte Carsten Schneider hat eine Woche vor dem Anschlag beklagt, daß die Bürger im einstigen DDR-Gebiet wählerischer bei der Firmenansiedlung werden, selbst wenn diese wie Tesla 10.000 zusätzliche Arbeitsplätze versprechen. „Früher wurde praktisch jedes Großprojekt begrüßt, solange es nur Arbeitsplätze brachte“, so der SPD-Staatsminister gegenüber dpa: „Jetzt gibt es vereinzelt auch mal Widerstände. Das muß man bei der Planung künftig mitdenken.“ Schneider hat dabei sicher nicht an die „Vulkangruppe“ gedacht, aber die langfristigen Auswirkungen könnten drastisch sein: Wer investiert noch in Deutschland, wenn Unternehmen mit einem „Blackout“ rechnen müssen – nicht nur durch die Energiewende, sondern auch durch unabsehbare „Freudenfeuer“ von einem „breiten und bunten Widerstand“.

 www.tesla.com/de_de/giga-berlin

 www.robinwood.de/blog/baumhäuser-statt-e-autos-tesla-den-hahn-abdrehen