© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/24 / 08 März 2024

Haltungsnote
Fernab der Realität
Vincent Steinkohl

Das Streikrecht ist ein Grundpfeiler unseres Staates – und das ist auch gut so. Arbeitgeber und Angestellte befinden sich naturgemäß in einem Interessenkonflikt: Der eine will für seine Mühen möglichst gut bezahlt werden, der andere will Kosten für seinen Betrieb einsparen. Ohne das Recht auf Arbeitsniederlegung hätte der Malocher schlechte Chancen für seine Sache.

Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, überspannt jedoch seit Wochen den Bogen. Ab Mittwoch streikt die Bahn bundesweit für 35 Stunden, danach sollen sogenannte „Wellenstreiks“ folgen, die nicht mehr – wie sonst üblich – 48 Stunden vorab angekündigt werden. Die Forderungen der GDL sind dabei abenteuerlich. Löhne sollen um 555 Euro steigen, Zulagen um 25 Prozent. Vollzeitangestellte sollen eine Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro erhalten, Teilzeitler und Auszubildende 1.500 Euro. Und was bietet die GDL? 35 statt 38 Arbeitsstunden pro Woche. In einem Land, in dem Auto fahren wegen der Benzinpreise immer teurer wird, ist das verantwortungslos. Wie realitätsfern Weselsky ist, zeigt auch seine Prognose, die Bahn werde während der Streiks „kein zuverlässiges Verkehrsmittel mehr“ sein. Als wäre sie das davor gewesen.

Zumindest eins haben die Streithähne Bahn und die GDL-Funktionäre gemeinsam: Sie wissen nicht, wovon sie reden, denn sie selbst fahren nicht mit dem Zug zur Arbeit.