© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/24 / 10. Mai 2024

Intransparent und wenig wirksam
Abschreibungsregeln: Das steuerliche Wohnungsbau-Förderchaos der Ampel / Politische Aktivität wird lediglich vorgetäuscht
Stefan Kofner

Nach zweieinhalb vertrödelten Jahren versucht die Bundesregierung neuerdings den Eindruck zu verbreiten, daß sie die großen Probleme am Wohnungsmarkt jetzt endlich ernst nimmt und energisch gegensteuert. Sie setzt dabei besonders auf die steuerliche Wohnungsbauförderung: Die Bedingungen für die Sonderabschreibungen wurden verbessert, die lineare Abschreibung für neu gebauten Mietwohnraum von zwei auf drei Prozent im Jahr angehoben, und mit dem Wachstumschancengesetz der Ampel kam dann noch die degressive Abschreibung hinzu. Die größere instrumentelle Vielfalt bedeutet mehr Bürokratie und Intransparenz für Investoren. Ob sie aber die Anreize für die dringend benötigten Neubauwohnungen wirksam genug verbessert, ist eine offene Frage.

Wie der soziale Wohnungsbau steht auch die steuerliche Neubauförderung vor dem Problem, daß sie gegen ein neubaufeindliches Umfeld aus hohen Zinsen, Bau- und Bodenpreisen anfördern muß. Obwohl die Subventionen für das Wohnungswesen von 5,4 Milliarden Euro im Jahr 2021 inzwischen auf 22,3 Milliarden gestiegen sind, ist für die steuerliche Neubauförderung kaum Geld übrig, weil davon alleine fast 19 Milliarden Euro in die Förderung der Energieeffizienz und erneuerbarer Energien fließen.

Niedrige Obergrenzen für die Beihilfen

Die Bedingungen der Sonderabschreibungen für den Mietwohnungsneubau wurden zwar verbessert, aber da es sich in der Sprache des EU-Beihilferechts um – nicht genehmigungspflichtige – sogenannte De-minimis-Beihilfen handelt, sind sie wegen der damit verbundenen niedrigen Obergrenzen für die Beihilfen nur für kleine Privatinvestoren interessant. Die Sonderabschreibungen können zusätzlich zur dreiprozentigen linearen Abschreibung über vier Jahre mit weiteren fünf Prozent der Herstellungskosten geltend gemacht werden.

Dabei sind jedoch sowohl die Herstellungskosten als auch die Bemessungsgrundlage gekappt (auf 5.200 bzw. 4.000 Euro pro Quadratmeter). Doch das reicht der Politik nicht aus: Zusätzlich muß der kostentreibende energetische Gebäudestandard für ein „KfW-Effizienzhaus 40“ mit Nachhaltigkeitssiegel (EH40/QNG) erreicht werden, um die Sonderabschreibungen in Anspruch nehmen zu können. Die hohen Mehrkosten dafür werden durch den geringen zusätzlichen Förderanreiz aber nicht annähernd kompensiert.

Die von der Immobilienwirtschaft gefeierte neue degressive Abschreibung hat zwar keine besonderen Auflagen, aber es fehlt ihr an Feuerkraft: In den ersten sechs Jahren dürfen statt linear drei Prozent der Herstellungskosten fünf Prozent des jährlichen steuerlichen Restwertes abgeschrieben werden. Das wirkt sich auf die Projektrendite jedoch nicht wesentlich aus. Das SPD-geführte Bauministerium weist darauf hin, daß man die degressive mit der Sonderabschreibung kombinieren könne. Aber auch das verbessert die interne Verzinsung nach Steuern bestenfalls um einen Prozentpunkt. Durch den teuren EH40/QNG-Standard werden die Mehrkosten gerade einmal kompensiert.

Nur wenn die Immobilie nach zehn Jahren steuerfrei weiterveräußert werden kann, ergibt sich ein deutlicher Förderanreiz: Wenn alle Abschreibungsmöglichkeiten kombiniert werden, ist das Gebäude nach zehn Jahren fast zur Hälfte abgeschrieben. Ein Privatinvestor, der sich keinen gewerblichen Grundstückshandel vorhalten lassen muß, kann dann Kasse machen und die mit den vorgezogenen Abschreibungen verbundenen zukünftigen Abschreibungsminderungen vermeiden.

Die von der Ampel errichtete steuerliche Förderlandschaft für den Wohnungsneubau ist alles in allem ein potemkinsches Dorf: Zielgerichtete politische Aktivität wird lediglich vorgetäuscht. Für die unternehmerische Wohnungswirtschaft ist die neue steuerliche Förderung uninteressant. Nur gewieften Privatinvestoren eröffnet sie Chancen auf Vermögensmehrung. Das wird so auf keinen Fall reichen, um den daniederliegenden Wohnungsbau in Deutschland wieder in Schwung zu bringen.

Mobilisierung von Brachflächen und Aufstockungen im Bestand

Die weitgehend wirkungslosen Sonderabschreibungen könnten gleich ganz entfallen. Und auch die degressiven Abschreibungen beizubehalten hätte nur Sinn, wenn sie mit der nötigen Feuerkraft ausgestattet würden: Dafür wäre eine Verdoppelung des Abschreibungssatzes von fünf Prozent auf zehn Prozent jährlich erforderlich. Der Neubau sollte aber nur dort gefördert werden, wo Wohnraum auch wirklich knapp ist und nicht undifferenziert in der Fläche. Es bräuchte daher eine Gebietskulisse, also die Beschränkung des Instruments auf angespannte Wohnungsmärkte. Damit könnte die Erhöhung der Abschreibungssätze ein Stück weit gegenfinanziert werden.

Damit die Effekte in den Brennpunkten des Wohnungsbedarfs nicht in Form von steigenden Bodenpreisen verpuffen, müßte eine wirksame steuerliche Abschreibungsförderung außerdem von einer Baulandoffensive begleitet werden. Hier bestehen allerdings Zielkonflikte mit ökologischen Zielen, denn die tägliche Bodenversiegelung ist aktuell fast doppelt so hoch wie nach den nationalen Versiegelungszielen vorgesehen. Das nötige Bauland sollte daher eher durch Innen- als durch Außenentwicklung mobilisiert werden. Das erfordert neben der Mobilisierung von Brachflächen auch Aufstockungen und Ersatzneubauten mit höheren Geschoßflächenzahlen. Sicher ist, daß der Weg zur Wiederentspannung unserer Wohnungsmärkte lang und steinig wird. Mit ein wenig Drehen an den Abschreibungsschrauben wird die Regierung es nicht richten.

Wachstumschancengesetz 2024: bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/Ausgabe/2024/04/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-4-wachstumschancengesetz.html