Die Abwahl des ungeliebten britischen Premiers Rishi Sunak und seiner entkernten Konservativen dürfte kaum jemanden überrascht haben. Doch das Wahlergebnis hinterläßt viele Unzufriedene: zwischen Wählervotum und Sitzverteilung im Unterhaus klafft ein eklatantes Mißverhältnis.
Dem britischen Mehrheitswahlrecht zufolge gilt es, in den Wahlkreisen die jeweilige Mehrheit zu gewinnen. Die verspätet angetretene rechtskonservative Reform-Partei von Nigel Farage trifft dies mit voller Härte: Über vier Millionen Wähler (14,3 Prozent Stimmanteil) reichen nur zu vier Sitzen im Parlament. In vielen Wahlkreisen schrammte Reform haarscharf an der Spitzenposition vorbei: in einigen verteilten sich die Stimmen fast gleichermaßen auf Konservative und Reform, lachender Dritter war die Arbeiterpartei. Die Liberaldemokraten kamen auf 3,4 Millionen Wähler (12,1 Prozent), errangen aber 71 Sitze. Das Prinzip „First past the post“ sorgte bisher für politische Stabilität, hielt jedoch kleine Parteien wie die Grünen zurück.
Forderungen nach Reformen kamen daher auch meist von links. Machbar wäre ein Umstieg aufs Verhältniswahlrecht, wie im Neuseeland der 1990er Jahre. In einem traditionsbewußten Land wie Großbritannien ist das allerdings ein dorniger Weg, zumal die Großparteien vom Status quo profitieren.
Prof. Georg Menz lehrt Politikwissenschaften an der Old Dominion University, Virginia, USA