Ein Theater ohne Spielstätte hat ein dramatisches Problem. Straßenmusik ist bei Mozart keine Option. Schnell stellt sich daher die Existenzfrage. So auch bei der Komischen Oper Berlin. Das 1947 von Ausnahmeregisseur Walter Felsenstein mitbegründete Musiktheater hat dringenden Sanierungsbedarf. Die letzte Generalüberholung des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes mit nüchterner Natursteinfassade ist fast 60 Jahre her. Als 2018 schließlich der Stuck von der Decke kam, mußte der alte Berliner Senat unter Michael Müller (SPD) handeln. Beschlossen wurde eine Modernisierung des Hauses. Kostenfaktor: 227 Millionen Euro. Diese Summe ist mittlerweile auf 478 Millionen Euro angewachsen, auch weil das Bauen in den vergangenen Jahren insgesamt sehr viel kostspieliger geworden ist – Materialkosten, Arbeitskräftemangel und Inflation sei Dank.
Nun prüft Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) offenbar, die Bauarbeiten einzufrieren, um den Haushalt zu entlasten. Die B.Z. hatte zuerst über die Sparpläne berichtet. Gerade einmal 16 Millionen Euro wolle der Senat noch in die Sanierung stecken. Danach sei Schluß. 50 Millionen Euro sollen auf diese Weise jährlich gespart werden. Statt die Gerüchte zu dementieren, verwies Kultursenator Joe Chialo (CDU) auf den finanziellen Druck, unter dem der Stadtstaat derzeit stehe. Bausenator Christian Gaebler (SPD) sekundierte, die Zukunft des Theaterbaus werde sich im Laufe der Haushaltsverhandlungen entscheiden.
Für die Intendanten der Komischen Oper ein Schock. „Die Berichterstattungen über einen möglichen Baustopp unseres Stammhauses in Berlin-Mitte haben uns entsetzt. Wir sind mitten im Prozeß, ihn jetzt zu stoppen wäre politisch unverantwortlich und fahrlässig“, betonten Susanne Moser und Philip Bröking in einem ersten Statement. Eine Bauruine nur wenige hundert Meter vom Brandenburger Tor entfernt sei nicht im Interesse der Stadt. Auch das Einsparpotential sei illusorisch: „Die Dauer des Umbaus zu strecken, ist der Garant für eine Kostenexplosion: jedes Jahr Verzögerung bedeutet 40 Millionen Euro Mehrkosten!“ Das Quartier im Schillertheater sei nur eine Übergangslösung. Die Akustik sei nicht ideal, es gebe zu wenige Räume. „Eine Bespielung auf Dauer würde die Komische Oper Berlin künstlerisch und finanziell ausbluten und damit in ihrer Existenz gefährden.“
Mit dieser Einschätzung sind die Theaterleiter Moser und Bröking nicht allein. Der Deutsche Kulturrat nahm das Opernensemble jüngst in die „Rote Liste der bedrohten Kultureinrichtungen und Kulturinitiativen“ auf. Das alarmiert auch die einstigen Partner der SPD in Berlin – Grüne und Linke. Noch Ende 2022 stellte sich der damalige Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei) hinter das Projekt. „Wir müssen mit dem Planungsstand, den wir jetzt haben, weiterfahren“, sagte er nach Bekanntwerden der Kostenexplosion. Kurz darauf wurde er abgewählt. Nun protestiert die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus gegen den Baustopp. Auch die Grünen kritisieren das „Haushaltschaos“. Die Frage stellt sich, ob das drohende Aus der Oper zum Politikum taugt. Wenn nicht, wird das Theater womöglich sang- und klanglos abgewickelt.