Rund 80 Stunden hatten sie verhandelt, aber mit seiner Einschätzung, die Koalition habe mit der Einigung auf den Bundeshaushalt 2025 ein „gelungenes Kunstwerk“ zustande gebracht, blieb Kanzler Olaf Scholz (SPD) dann doch allein auf weiter Flur. Selbst in Scholz’ eigener Partei kocht die Unzufriedenheit hoch: „Unsere Überzeugung ist unverändert: Die Schuldenbremse, wie sie heute gestaltet ist, muß reformiert werden, wenn sie nicht zur Zukunftsbremse werden soll“, ließ SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich verbreiten. Zusammengefaßt läßt sich feststellen: SPD, Grüne und FDP haben getrickst, getäuscht und verschleiert, was das Zeug hält.
Aber der Reihe nach: Noch in diesem Jahr will die Koalition einen Nachtragshaushalt auf den Weg bringen und somit die Bundesausgaben von 476,8 auf 489 Milliarden Euro aufstocken. Die Kreditaufnahme soll dafür von 39 auf 50,5 Milliarden Euro steigen. Die Opposition hatte schon vor längerem den Verdacht geäußert, mit dem Nachtragshaushalt würden Ausgaben auf dieses Jahr vorgezogen, um im nächsten Jahr die Schuldenbremse einhalten zu können.
Christian Lindner trickst so wie kein Bundesfinanzminister zuvor
Im nächsten Jahr will die Koalition 481 Milliarden Euro ausgeben, 29 Milliarden mehr als bisher in der Finanzplanung vorgesehen. Die Nettokreditaufnahme soll 44 Milliarden Euro betragen, die Schuldenbremse wird formal eingehalten. Das Festhalten an der Schuldenbremse und den Verzicht auf eine haushalterische Notlage wegen der Ukraine-Kosten trägt Lindner als Erfolg nach Hause. Auch gelang es der FDP, die ungeliebte Kindergrundsicherung ein weiteres Mal auf die lange Bank zu schieben. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) gehört seitdem zur wachsenden Lame-Duck-Fraktion in der Regierung.
Zu dieser Fraktion gehört jetzt auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). 52 Milliarden Euro stehen derzeit für die Bundeswehr zur Verfügung. Sechs Milliarden Euro Mehrbedarf hatte er angemeldet, 1,2 Milliarden Euro bekommt er. Das dürfte gerade reichen, inflationsbedingte Mehrausgaben für Gehälter, Pensionen, Kasernen und Treibstoffe zu bezahlen.
Hinter dem Haushaltsgeschacher bestimmen die Grünen die Politik
Lindner trickst wie kein Finanzminister vor ihm: Die Deutsche Bahn und die Autobahngesellschaft sollen Investitionen über eigene Kreditaufnahmen finanzieren, was die Schuldenbremse nicht tangiert. Rechentricks bei Bundesanleihen lassen die Zinskosten sinken. Außerdem will Lindner bei den EU-Beiträgen einen „realistischeren Ansatz“ anwenden, so daß diese auf dem Papier sinken dürften. 16 Milliarden Euro stehen als sogenannte globale Minderausgabe in der Planung. Auch dies ist eine Luftbuchung, da die Ministerien so viel in ihren Etats gar nicht sparen können.
Beim „Dynamisierungspaket“ mit Abschreibungsverbesserungen und Sanktionen für arbeitsunwillige Bürgergeld-Empfänger wird die Trickserei fortgesetzt. Das dadurch angeblich um 0,5 Prozent höhere Wirtschaftswachstum soll zu höheren Steuereinnahmen führen, die Lindner sofort eingeplant hat. Die angekündigten Steuerentlastungen für alle und eine Erhöhung des Kindergeldes mit einem Volumen von 23 Milliarden Euro sind keine Steuersenkungen, sondern in Wirklichkeit handelt es sich um einen Verzicht auf Steuererhöhungen, die durch die Inflation zustande kommen (kalte Progression). Aber auch Lindner beherrscht das Spiel, diese regelmäßig durchzuführende Steuertarif-Änderung als Entlastung zu verkaufen.
Die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags wäre eine echte Entlastung gewesen. Doch aus der selbsternannten Fortschrittskoalition ist längst ein Stillstandsbündnis geworden. Deutlich wird dies in einem Papier aus dem Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne), wo sich die Grünen loben, was sie alles verhindert haben: „Das Ende der Förderung für die erneuerbaren Energien. Völlig unverhältnismäßige Sanktionen und eine Schlechterbehandlung der Ukrainerinnen und Ukrainer im Bürgergeld. Eine komplette Aussetzung des Lieferkettengesetzes. Die Abschaffung des Soli. Die Abschaffung der Rente mit 63. All das kommt nicht, und auch das ist eine Botschaft dieser Einigung.“ Man kann es auch anders formulieren: Lindner hat die Scheinerfolge, und in Wirklichkeit bestimmen die Grünen die Politik.
Gewissermaßen als letztes Aufgebot von Einheimischen für den deutschen Arbeitsmarkt sollen Überstunden steuerlich begünstigt werden. Und wenn Rentner noch länger arbeiten wollen als bis 67, sollen sie bei Sozialbeiträgen um 250 Euro im Monat entlastet werden.
Der geplante Steuerrabatt von zunächst 30 Prozent, im zweiten Jahr von 20 und im dritten Jahr von zehn Prozent für aus dem Ausland einreisende Fachkräfte hat massives Wut-Potential. „Das ist Inländer-Diskriminierung“, empörte sich die CDU-Wirtschaftspolitikerin Julia Klöckner. Der AfD-Abgeordnete Leif-Erik Holm sprach von einem „Schlag ins Gesicht der fleißigen deutschen Arbeitnehmer“.
Die deutschen Steuerzahler haben einen Trost. Wenn die Umfragen so bleiben, war dies der letzte Haushaltsentwurf der Ampelkoalition. Denn dieses Bündnis wird die nächste Bundestagswahl nicht überleben.