© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/24 / 12. Juli 2024

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Baerbocks Privilegien
Paul Rosen

Wenn es im nächsten Jahr vor der Bundestagswahl darum gehen wird, eine Bilanz der Amtszeit der  grünen Außenministerin Annalena Baerbock zu erstellen, dürfte der Begriff Bescheidenheit darin nicht auftauchen. Die Außenministerin stellt alle Berliner Kabinettsmitglieder in den Schatten, wenn es darum geht, Privilegien abzugreifen und Vorteile in Anspruch zu nehmen. Sie schert sich nicht um die auch von ihr verbreitete grüne Hypermoral: So sprach sich Baerbock für ein Verbot von Kurzstreckenflügen aus, um die Umwelt zu schonen. Doch selbst bestellt sie Kurzstreckenflüge. Statt sich nach dem Fußballspiel Deutschland-Schweiz mit der Regierungs-Flugbereitschaft von Frankfurt nach Luxemburg fliegen zu lassen, hätte sie genauso gut ein Taxi nehmen können, was gerade einmal 500 Euro gekostet hätte. Der Flug wird dagegen mit 7.000 bis 10.000 Euro Kosten veranschlagt. Und wenn der Ruf erst einmal ruiniert ist, dann macht es auch nichts mehr aus, sich mit einer Ausnahmegenehmigung über das Nachtflugverbot in Frankfurt hinwegzusetzen, für das besonders die Grünen gekämpft hatten. Die hessische Landesregierung, an der die Grünen beteiligt sind, lehnte es übrigens ab, das Nachtflugverbot für Mannschaftsflüge während der  Fußball-Europameisterschaft aufzuheben. 

Doch das Fußballfieber der Außenministerin hat eine viel größere Dimension. Er habe schon Schwierigkeiten damit, daß Baerbock 136.000 Euro für Visagisten (Maskenbildner) ausgebe, ließ Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) verlauten. Die entscheidende Frage sei aber, wieso Baerbock überhaupt im Stadion gewesen war, fragte Kubicki. Denn eine dienstliche Veranlassung, die für eine solche Reise erforderlich wäre, ist nicht erkennbar. Das wäre allenfalls bei Innenministerin Nancy Faeser (SPD) der Fall, da sie zugleich Sportministerin ist.

Womit man bei der nächsten Frage wäre: Wer bezahlt eigentlich die Eintrittskarten für die Politiker? Und hier wird es interessant, weil der Verdacht der strafbaren Vorteilsnahme ins Spiel kommt. Nach Medienberichten stellt die Fußballorganisation Uefa Bundestag und Bundesregierung kostenlose Ehrenkarten zur Verfügung. 30 Karten sollen es beim Spiel Deutschland–Schweiz gewesen sein. Wäre Deutschland ins Halbfinale gekommen, hätte es sogar 50 Ehrenkarten gegeben. Da diese Karten nicht für billige Plätze sind, sondern für die sogenannten Hospitality-Bereiche, wo es bequeme Sessel sowie edle Speisen und Getränke gibt, kann von einem Wert von 2.500 bis 5.000 Euro pro Karte ausgegangen werden.

Abgeordnete, die solche Ehrenkarten annehmen würden, würden sich dem Verdacht der Bestechlichkeit aussetzen, wenn sie an Beschlüssen beteiligt sein sollten, die mit der Uefa zu tun haben. Beamten und Regierungsmitgliedern ist die Annahme solcher Geschenke strikt verboten. Vor diesem Hintergrund sind der Kurzstreckenflug und die Umgehung des Nachtflugverbots das kleinere Problem für die Außenministerin.