© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/24 / 12. Juli 2024

Die Warnzeichen häufen sich
Probleme am Büromarkt: Aufgestauter Abwertungsbedarf / Wie sicher sind die offenen Immobilienfonds noch?
Stefan Kofner

Bei den offenen Immobilienfonds werden die Warnsignale am Horizont immer deutlicher. Die Ratingagentur Scope hat Anfang Juni elf der 21 von ihr bewerteten offenen Immobilienfonds herabgestuft. Das gemeinnützige Verbraucherportal Finanztip rät den Anlegern zum Verkauf aller Anteile an der Börse. Und bei dem Fonds UniImmo Wohnen ZBI der Union Investment ist der Rücknahmepreis der Fondsanteile wegen einer Sonderbewertung um fast 17 Prozent gefallen (JF 28/24). War das ein Menetekel für die weitere Entwicklung?

Die offenen Immobilienfonds machen mit 130 Milliarden Euro ein Zehntel des deutschen Investmentfondsmarktes aus. Ihre Renditen schwächelten wegen des mickrigen Wertzuwachses der Fondsimmobilien von durchschnittlich nur 0,1 Prozent schon letztes Jahr. Per 30. April lag die Zwölfmonatsrendite der 21 von Scope gerateten offenen Immobilienfonds nur noch bei 0,5 Prozent. Wegen der Zinswende und einiger fundamental negativer Entwicklungen dürfte bei ihren Immobilienwerten ein aufgestauter Abwertungsbedarf vorliegen.

Scope erwartet für den Durchschnitt der Fonds in diesem Jahr eine negative Wertänderungsrendite. Außerdem sind in den etwa zehnprozentigen Abschlägen der Börsenpreise gegenüber den Nettoinventarwerten der Immobilienfonds Abwertungsrisiken vorweggenommen. Und schließlich ist nach den Indizes des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp) sowohl der Wert aller Gewerbeimmobilien als auch der von Büro- und Einzelhandelsimmobilien 2023 um gut zehn Prozent gefallen. Nach einer aktuellen Marktbefragung schätzen die Immobilienfondsanbieter selbst die Abwertungsrisiken bei Büroimmobilien besonders hoch ein, wobei die zentralen Geschäftsbezirke weniger gefährdet sind, um so mehr aber periphere Standorte und B-Lagen.

Die offenen Immobilienfonds in Deutschland haben traditionell einen hohen Büroimmobilienanteil. Bei einem Anteil des Bürosektors von 62 Prozent an den Verkehrswerten besteht natürlich ein Kumulrisiko. Der Abbau des hohen Büroanteils kommt nur langsam voran, und entsprechend sind die Fonds hier gegenüber fundamentalen Marktrisiken exponiert. Das hybride Arbeiten drückt weiter auf die Flächennachfrage der Mieter. Der Arbeitskräftemangel und der vermehrte Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) könnten einen Produktivitätsschub in den Büros auslösen, so daß dieselbe Arbeit von viel weniger Menschen auf viel weniger Bürofläche getan werden kann. Diese Entwicklungen sind in den Immobilienwerten der Fonds nicht enthalten.

Fonds werden kaum eine Rendite von über drei Prozent schaffen

Es gibt aber auch Lichtblicke: Die deutschen Büromieten sind laut vdp-Mietindex 2022 und 2023 weiter deutlich angestiegen. Der Büroleerstand lag laut den Zahlen von Bulwiengesa trotz eines trendmäßigen Anstiegs letztes Jahr nur bei 4,8 Prozent. Im internationalen Vergleich ist das wenig: Der europaweite Büroleerstand erreichte Ende 2023 laut BNP Paribas Real Estate acht Prozent, und in den USA stehen bereits über 20 Prozent der Flächen leer, wobei die deutschen offenen Immobilienfonds hier noch auf eine Vermietungsquote von 89 Prozent kommen.

Außerdem weisen die offenen Immobilienfonds mit einer gewichteten Kreditquote von nur 16,6 Prozent nur eine sehr geringe Verschuldung auf. Es kommt hinzu, daß der Anteil sogenannter „Core-Immobilien“ bei ihnen hoch ist. Das sind moderne Objekte in guten, zentralen Lagen großer Städte, die kaum von der allgemein schwachen Flächennachfrage betroffen sind. Es zeichnet sich bei den Büronutzern sogar eine „Flucht in die Qualität“ ab. Schließlich erkennt Scope für die USA deutliche Anzeichen für eine Abschwächung des Trends zur Telearbeit: Die Unternehmen versuchen, wieder mehr Präsenztage verpflichtend zu machen.

Alles in allem liegt Finanztip mit seiner radikalen Empfehlung aber nicht daneben. Offene Immobilienfonds sind derzeit keine gute Geldanlage. In der letzten Zeit sind die Risiken gestiegen und die Renditen gesunken. Selbst Rücknahmeaussetzungen einzelner Fonds sind künftig nicht auszuschließen. Auch die besten Fonds werden mittelfristig kaum eine Rendite von deutlich mehr als drei Prozent pro Jahr schaffen. Soviel kann aber auch risikofrei mit Tagesgeld erzielt werden. Da eine ganze Reihe von Fonds in den nächsten Jahren noch deutlich schlechter abschneiden wird, sollten Anleger ihre Investments in offene Immobilienfonds überprüfen. Wenn der Fonds ein Scope-Rating schlechter als BBB+ hat und weitere Risikofaktoren wie einen besonders hohen Anteil an Büroimmobilien, Nordamerika-Objekten oder angekauften Projektentwicklungen aufweist, sollte man eine Trennung erwägen. Dabei sollte man auch die Vermietungs- und die Liquiditätsquote beachten. Die Liquidität sollte nicht unter 10 Prozent und die Vermietungsquote nicht unter 90 Prozent liegen.

Die Liquidation sollte man sofort durch einen Verkauf über die Börse vollziehen, auch wenn dies einen Abschlag gegenüber dem aktuellen Rücknahmepreis bedeutet. Nur Altanleger, die bereits vor dem 21. Juli 2013 in einen Fonds investiert waren, können ihre Anteile sofort an die Fondsgesellschaft zurückgeben (bis zu 30.000 Euro pro Halbjahr). Für die anderen Anleger gilt eine Mindesthaltefrist von 24 Monaten und eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten. Die Kündigung ist irreversibel, und es gilt der zukünftige Rücknahmepreis zum Rücknahmezeitpunkt. Da die derzeitigen Nettoinventarwerte nicht realistisch sind, drohen Wertverluste. Die Erlöse sollten derzeit nicht in andere offene Immobilienfonds reinvestiert werden.


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