Vor elf Jahren wurde die illegale Streamingplattform Movie2k.to vom Netz genommen – ein Erfolg für Hollywood, Ufa & Co. und die Ermittlungsbehörden, denn nun konnten hierüber keine Filme und TV-Serien mehr „kostenlos“ gesehen werden. Die Betreiber wurden verurteilt und ihre Urheberrechtsverletzungen waren medial längst vergessen, als am 30. Januar die Generalstaatsanwaltschaft Dresden Aufsehen erregte: In einem Ermittlungsverfahren zusammen mit dem LK Sachsen und der „Steuerfahndung des Finanzamtes Leipzig II als Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen (INES) konnten Mitte Januar 2024 fast 50.000 Bitcoins vorläufig gesichert werden“.
Die 2004 gegründete INES sei durch das Bundeskriminalamt (BKA), das Federal Bureau of Investigation (FBI) und eine forensische Münchener IT-Sachverständigenfirma unterstützt worden. Die „umfangreichste Sicherung von Bitcoins durch Strafverfolgungsbehörden in der Bundesrepublik“ sei „nach der freiwilligen Übertragung durch einen Beschuldigten auf durch das BKA zur Verfügung gestellten Behörden-Wallets“ erfolgt. Über die „Verwertung der Bitcoins“, die offenbar zur „gewerbsmäßigen Geldwäsche“ genutzt wurden, sei noch nicht entschieden worden: „Weitere Auskünfte werden bis zum Abschluß der Ermittlungen nicht erteilt“, so die Generalstaatsanwaltschaft.
Doch seit Juni ist der Bitcoin-Markt in heller Aufregung, denn die Behörden haben tatsächlich mit der „Verwertung der Bitcoins“ begonnen. Schließlich lagen in dem „fetten Bitcoin-Wallet“ (Bild) je nach Kurs ungefähr 2,5 bis 3,1 Milliarden Euro. Doch wenn dadurch das Bitcoin-Angebot steigt, hat das Auswirkungen auf den Markt – und den Wert des Bitcoin-Depots. Sind nun der Freistaat Sachsen, das LKA oder das federführende BKA für den jüngsten Kurssturz der bekanntesten Kryptoeinheit Bitcoin verantwortlich?
Der Bitcoin-Preis ist bekannt für seine Schwankungsanfälligkeit
Schließlich sollen laut der Analysefirma Arkham Intelligence inzwischen über 22.000 Bitcoin verkauft worden sein. Das habe, so eine Reihe von Bitcoin-Marktbeobachtern, zu einem dramatischen Preisverfall des Bitcoins geführt: Am 2. Juli betrug sein Preis noch 62.600 Dollar pro Stück, bis zum 5. Juli war er auf 53.700 Dollar gefallen, am 9. Juli handelt der Bitcoin wieder bei 57.200 Dollar – und der übriggebliebene sächsische „Bitcoin-Schatz“ war laut Arkham noch 1,31 Milliarden Dollar schwer. Doch sind die Behörden wirklich verantwortlich für die jüngste Kurskapriole? Der Bitcoin-Preis ist bekannt für seine Schwankungsanfälligkeit (JF 21/24). Und Gerüchte über große Verkäufe haben durchaus das Potential, mitunter große Preisbewegungen im Bitcoin-Markt auszulösen. Aber reicht das Verkaufsvolumen der Sachsen dafür aus?
Die Marktkapitalisierung aller Bitcoins (Börsen-Kürzel: BTC) beträgt derzeit etwa knapp 1,1 Billionen Euro. Der Freistaat besaß also in der Spitze – vor den bereits erfolgten Verkäufen – immerhin etwa 0,2 Prozent aller ausstehenden Bitcoins. So gesehen kann der Freistaat durchaus ein Auslöser der temporären Kursverluste gewesen sein. Aber beweisen läßt sich diese Vermutung letztlich nicht. Denn auch andere Faktoren könnten der Auslöser gewesen sein. In jedem Falle ist ein Verkauf in einer Phase fallender Preise nicht vorteilhaft.
Gleiches gilt, wenn große Mengen in kurzer Zeit verkauft werden. Börsenprofis versuchen stets, für „kursschonende Verkäufe“ zu sorgen: Positionen werden langsam und still verschwiegen nach und nach, peu à peu abgebaut, um den Preis und damit die Einnahmen nicht unnötig zu drücken. Das sei auch von den behördlichen Bitcoin-Händlern im Prinzip beachtet wurden: „Neben dem Verkauf über Coinbase, Kraken und Bitstamp hat die Behörde zuletzt auch größere BTC-Mengen an den Marketmaker Flow Traders versendet. Dies läßt darauf schließen, daß Flow Traders als Mittelsmann genutzt wurde, um größere Coinbestände kursschonend anzubieten“, erklärte Bitcoin-Marktexperte Stefan Lübeck vom Branchenportal BTC-Echo.de. Im Falle des Freistaates scheint das nicht ganz so gelungen zu sein, vielleicht war der Verkaufszeitpunkt nicht ideal gewählt. Immerhin kamen die staatlichen BTC-Bestände auf mehreren Wegen auf den Markt: Auch über Transaktionen an Krypto-Broker FalconX und Cumberland, die sich auf den institutionellen Handel spezialisiert haben. Das zeige, daß die Sachsen auch außerbörsliche Verkäufe (OTC) getätigt haben, „um den Bitcoin-Kurs nicht zu sehr zu belasten“, so Branchenexperte Lübeck.
Die Bundestagsabgeordnete Joana Cotar, bis 2022 AfD-Mitglied, hat die sächsische Staatsregierung dennoch aufgerufen, die Verkäufe zu beenden. Sie solle stattdessen die Bitcoins als „strategische Reservewährung“ halten, um sich gegen Finanzmarktrisiken abzusichern. Doch der Staat geht nachweislich nicht gut mit dem Geld seiner Bürger um. Daher wäre ein besser Vorschlag: die verbliebenen Bitcoins marktschonend verkaufen, und die Erträge vollständig den Netto-Steuerzahlern auszuzahlen – oder alternativ ihnen auf Wunsch die Bitcoins direkt anteilig zu übertragen.
Prof. Dr. Thorsten Polleit ist Volkswirt und Präsident des Ludwig von Mises Instituts Deutschland. thorsten-polleit.com