Die Energiewende in Deutschland ist in vollem Gange. Der Ausstieg aus der Kernkraft und das Beenden russischer Gaslieferungen im Zuge des Ukrainekrieges hat die Bundesregierung in Zugzwang gebracht, um die Energieversorgung für das Land zu sichern. Die Pläne der Ampel sehen vor, daß bis 2030 achtzig Prozent unserer Energie aus CO2-neutralen erneuerbaren Quellen kommt. 115 Gigawatt (GW) pro Jahr durch Windkraft auf dem Land sind das Ziel. Für die Umsetzung des Plans werden Zigtausende neue Windkraftanlagen benötigt. Platz dafür muß geschaffen werden und somit bleiben unsere Waldflächen, die letzten natürlichen Refugien für Tiere, und Menschen, übrig. Vielerorts sind die Landregionen bereits mit Windkraftanlagen zugebaut und auch die Offshore-Windparks vor unseren Küsten haben gigantische Dimensionen angenommen, mit über 1.600 Anlangen zum jetzigen Zeitpunkt.
Im Wahlkampf wollte die lokale CDU noch die Bäume retten
Fast 30.000 Windanlagen gibt es bereits im Inland, mit einer Produktionskapazität von 61 GW, wobei die meisten auf Agrarflächen stehen. Diese Flächen können oftmals nicht erweitert werden, da sie für die Sicherung unserer Nahrungsmittelversorgung benötigt werden. „Wir kommen an den Waldstandorten für Windkraft einfach nicht mehr vorbei“, erklärte der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) erst kürzlich öffentlich, denn besonders in Bayern sowie in Rheinland-Pfalz stehen die Anlagen schon im Wald. Ende 2023 waren es circa 2.500. Nun zieht Nordrhein-Westfalen nach und plant den größten industriellen Windpark des Landes im Naturpark Arnsberger Wald im nördlichen Sauerland, rund um das Naherholungsgebiet an der Möhnetalsperre – zum Entsetzen vieler Menschen der Region.
Der Naturpark Arnsberger Wald erstreckt sich über eine Fläche von knapp 600 Quadratkilometern, was cirka einem Viertel der Fläche des Saarlandes entspricht. Im Süden wird der Wald vom Hochsauerlandkreis verwaltet, während die Gebiete im nördlichen Teil zur Stadt Warstein und der Gemeinde Möhnesee im Kreis Soest gehören. Eigentlich war die Windkraft im Arnsberger Wald schon von ebendiesen Behörden ad acta gelegt worden. Viele Jahre hatten Bürgerinitiativen, besonders in Warstein, mit strammem Aktivismus und klaren Fakten bezüglich der ökologischen Konsequenzen für die Natur gegen das Projekt erfolgreich protestiert, um die mehr als 20 Natur- und Landschaftsschutzgebiete vor der Industrialisierung zu bewahren.
Einst brüstete sich die lokale CDU im Wahlkampf mit Plakaten, auf denen es hieß „Wer den Wald quält, wird abgewählt!“ unddie ein Riesen-Windrad im Wald zeigten, das maßstabsgetreu den Kölner Dom (157 Meter) weit überragte. Viele Bürger in Warstein sagen bis heute, daß sie die CDU damals nur gewählt haben, weil sie sich so klar gegen Windkraft im Wald positioniert hatte. Das ist nun alles Schnee von gestern, und vergangenes Jahr bereitete der Stadtrat unter Leitung des CDU-Bürgermeisters Thomas Schöne den Weg für die ersten Windanlagen im Wald auf Warsteiner Stadtgebiet. Was war zwischenzeitlich passiert?
„Am 24. Februar 2022 kam der Tag der Zeitenwende – der Überfall auf die Ukraine“, verkündet Bürgermeister Schöne dramatisch, als er sich Fragen auf der jüngsten Kundgebung der Bürgerinitiative „Kein Windpark im Arnsberger Wald“ stellte. Als die Menge ihn daraufhin ausbuhte, gab es eine Moralkeule für die Anwesenden. Das zog trotzdem nicht, und Schöne probierte zu befrieden: „Ich verstehe den Zorn, und ich kann es auch nachempfinden. Ich war massiv gegen Windkraft im Wald. Aber wenn wir weiter unsere Laptops und anderen Elektrogeräte haben wollen, aus Atomkraft aussteigen, was ich für einen riesigen Fehler von meiner Partei halte, dann brauchen wir alternative Energiegewinnungsquellen, wozu die Windkraft zählt.“ Seine Ansprache beendet er mit den Worten: „Daß unser Wald zerstört wird, ist Scheiße, aber ich sehe keine Alternative.“
Für die meisten Teilnehmer sind diese Worte unbefriedigend. „Thomas Schöne erzählt immer wieder, daß der Ukrainekrieg ihn zum Umdenken gebracht hat. Wofür der Krieg alles so herhalten muß, ist schon erstaunlich? Es ist eher zu vermuten, daß der größte Steuerzahler in unserer Stadt deutlich gemacht hat, wenn sie am Standort Warstein expandieren wollen, dann brauchen sie grünen Strom, und am besten aus heimischen Gefilden“, resümiert Manfred Weretecki (Die Linke), ebenfalls Mitglied des Warsteiner Stadtrates auf der gleichen Veranstaltung.
Was Bürgermeister Schöne den Anwesenden zu vermitteln versuchte, ist die Tatsache, daß ihm eigentlich durch den Regierungswechsel in Berlin die Hände gebunden sind.
Die Ampel-Koalition unter Wirtschaftsminister Robert Habeck hat den Bau von Anlagen zur Gewinnung von Strom aus erneuerbaren Energien zur Frage der öffentlichen Sicherheit erklärt. Das sogenannte „Osterpaket“ 2022 der Bundesregierung hat dies gesetzlich verankert, und Habeck nannte es „den Beschleuniger für die erneuerbaren Energien“, der „beherzt und konsequent“ durchgezogen wird, damit Deutschland wieder „energieunabhängig“ wird.
Der Passus „öffentliche Sicherheit“ dient dazu, die Vogelschutzrichtlinie der Europäischen Union zu umgehen und die Tötung von geschützten europäischen Vogelarten durch Windenergieanlagen als Kollateralschäden zu ermöglichen. Diese Richtlinie – an die jeder Mitgliedstaat, also auch die Bundesrepublik Deutschland, strikt gebunden ist – akzeptiert nur in engen Ausnahmefällen die bewußt in Kauf genommene Tötung geschützter Arten. Ein solcher Ausnahmefall liegt beispielsweise dann vor, wenn die Tötung im Interesse der „öffentlichen Sicherheit“ liegt. Diesem Passus ist nun auch der Naturpark Arnsberger Wald zum Opfer gefallen. Ohne ihn wäre die Windkraft nie gekommen, denn geschützte Arten, wie der Schwarzstorch, nennen das Waldgebiet ihre Heimat.
Der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Christian Loose (AfD), selbst Energieexperte, teilt diese Bedenken und klärt in einem Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT über unrealistische Erwartungen, Paradoxien und Konsequenzen in Bezug auf das Vorhaben im Arnsberger Wald auf. „Das Problem mit der Windkraft ist, daß sie sich am Ende volkswirtschaftlich nicht rechnet. Nur momentan ist die Situation so, daß man mit dem Bau und der Bereitstellung von Land für Windkraftanlagen sehr viel Geld verdienen kann. Es heißt, daß jeder, der ein Grundstück für Windkraft zur Verfügung stellt, Multimillionär wird. Die gesetzlich vorgegebene Einspeisevergütung für Windkraft in Nordrhein-Westfalen liegt nämlich momentan bei 9,4 Cent pro Kilowattstunde. Also egal, wie hoch der Preis am Markt ist, diese Summe wird immer bezahlt“, erklärt Loose. Im Vergleich berichtet er, daß Energie aus Braunkohle momentan mit sieben bis acht Cent (kWh) am Markt vergütet wird. Allerdings sind cirka 70 Prozent davon die Abgaben für den vorgeschriebenen Kauf von CO2-Zertifikaten, ohne diese wären es nur zwei Cent.
Von diesen Einspeisevergütungen wollen nun auch Flächenbesitzer im Arnsberger Wald profitieren, einem der größten und ökologisch wertvollsten Naturgebiete der Region. Sowohl die Verwaltung des Hochsauerlandes in Arnsberg als auch Warstein und Möhnesee planen mit den verschiedenen Betreibern im Areal des Naturparks den Bau von mehreren Windparks. Insgesamt besteht dadurch in der gesamten Region das Potential für über 200 Anlagen mit bis zu 270 Meter Höhe, die in den kommenden Jahren errichtet werden sollen. Für jedes Windrad müssen cirka ein bis zwei Hektar Waldfläche geräumt werden. Ein Hektar entspricht ungefähr einem Fußballfeld.
Das Gebiet rund um den Möhnesee kann eine einzigartige Biodiversität vorweisen. „Im Naturpark leben nämlich alle Populationen waldbewohnender Arten, die in Nordrhein-Westfalen vorgekommen. Viele Newcomer haben sich auf den durch Schnee- und Windbruch, Insektenfraß oder Brand entstandenen Kalamitätsflächen, der im Wald wirtschaftenden Forstwirte, angesiedelt, wie die seltene Art des Wendehals. Für den Wald selbst konnte nichts Besseres passieren, als daß den Fichten der Garaus gemacht wurde, durch diese trockenen Jahre, weil die Fichte hier überhaupt nicht ihren Lebensraum hat. Das Ökosystem im Arnsberger Wald ist nicht tot“, heißt es von seiten der Bürgerinitiative. Trotzdem werden inzwischen hektarweise Bäume gerodet, die Planierwalzen über die sensiblen Böden gejagt, um Zufahrtswege für Schwertransporte einzurichten, und Tausende Kubikmeter Stahlbeton für die Fundamente der Anlagen „in die Natur gekippt“.
Der Wald beherbergt eine einzigartige Vielfalt an Lebewesen
Der Aufwand wird mit der Perspektive auf 20 Jahre Nutzen – die Lebensdauer eines Windrads – betrieben. Danach soll angeblich alles zurückgebaut werden, inklusive Beton. Christian Loose zweifelt: „Ob das dann auch wirklich passiert, ist bis jetzt nicht gesichert.“ Und was ist mit der Nachhaltigkeit? Wie sollen die abgebauten Anlagen recycelt werden?
Auch die deutschlandweite Initiative „Vernunftkraft“ nennt die Energiewende durch Windkraft eine „Mogelpackung“, besonders weil das Konzept nicht grundlastfähig ist und am Ende kein „Eisbär eine Stunde länger“ leben wird. „Das Jahr hat 8.760 Stunden, Windkraft in NRW läuft cirka 1.800 Stunden Vollast jährlich, anders gesagt: drei Tage steht das Windrad und einen Tag läuft es durch“, erklärt Landtagsabgeordneter Loose. „Jetzt werden also Kabel benötigt, die an drei Tagen keinen Strom transportieren und am vierten Tag die vierfache Menge als das, was sie eigentlich haben, wenn sie kontinuierlichen Strom transportieren. Laut Bundesrechnungshof werden alleine für die Kabel 460 Milliarden Euro benötigt. Dann müssen Speicher für die Tage gebaut werden, an denen kein Strom fließt. Auf welchen Flächen?“
Die Kosten trägt schlußendlich der Stromkonsument. Loose berichtet von Studien, die die Grundkosten für Strom aus Windkraft auf 25 Cent KWh setzt. Für den Verbraucher sind da bislang nicht die zusätzlichen Abgaben und Steuern mitgerechnet. „Am Ende kann man die wirtschaftlichen Zahlen trotzdem komplett vergessen“, gesteht Loose ein und erklärt, daß „hier mit Moral gearbeitet wird: Wenn das Windrad nicht kommt, dann wird die Welt untergehen und wir werden alle sterben.“ Aber ist es moralisch, Anlagen in die Natur zu setzen, in denen die seltene Erde Neodym verbaut wurde? Neodym in den Generatoren der Windräder kommt aus der Inneren Mongolei. Die Abbaustätte ist aufgrund der Konsequenzen für Mensch und Natur, einem Reporter der BBC zufolge, als „Hölle auf Erden“ zu bezeichnen. Laut Loose einem „Paradox“. Auch daß „Tourismus NRW“, eine staatlich finanzierte Organisation, sich ganz klar für Windkraft positioniert, aber in keiner ihrer Broschüren über das Sauerland die bereits errichteten Windkraftanlagen zeigt findet der Politiker aussagekräftig.
www.kein-windpark-ar-wald.de
www.herdringerforst.de
www.vernuftkraft.de