Screwball-Komödie“ lautet der Terminus, der einst geschaffen wurde für Filme, die vor allem bestanden aus witzigen Wortgefechten und scharfzüngigen Schlagabtauschen zwischen einer wortgewandten weiblichen und einer mühsam mithaltenden männlichen Hauptfigur. Der Konflikt, der sich beim Zusammentreffen der beiden regelmäßig einstellte, war dabei der Quell, aus dem nach und nach zärtliche Gefühle der beiden Kontrahenten füreinander hervorsprudelten. Cary Grant und Katharine Hepburn lieferten frühe Exempel für den Erfolg der Formel, Rock Hudson und Doris Day brachten sie schließlich in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts an den Rand der Perfektion. Genau in diese Screwball-Sechziger führt nun „To the Moon“ zurück und verbindet das konstitutive komische Element mit dem Ereignis schlechthin jener Dekade: der Landung auf dem Mond.
Zugang zu nie gezeigten Archivaufnahmen
Der aus Roland Emmerichs Action-Kracher „White House Down“ (2013) bekannte Channing Tatum spielt den ehemaligen Luftwaffenpiloten Cole Davis, der jetzt für den erfolgreichen Start der Apollo-11-Rakete verantwortlich ist. In dem Schnellrestaurant „Wolfie’s“ hat er kürzlich die Bekanntschaft der reichlich eitlen, aber betörend schönen PR-Wunderwaffe Kelly Jones (Scarlett Johansson) gemacht. Er kann nicht ahnen, daß sie es ist, die ihm wenig später von der NASA vor die Nase gesetzt wird, um das enorm teure Weltraumprogramm vor der Öffentlichkeit ins rechte Licht zu rücken und so zahlungskräftige Sponsoren anzulocken. Armstrong, Aldrin und Collins auf Kellogg’s Frühstücksflocken? Hier wird deutlich, daß „To the Moon“ einiges der erfolgreichen US-Serie „Mad Men“ über Werbeschaffende in den Sechzigern zu verdanken hat.
„Für Cole ist Apollo 11 nicht bloß irgendeine Mission und ganz bestimmt nicht bloß ein Fernsehwerbespot, ein Kommerzprodukt, das verkauft werden muß“, so Channing Tatum im Interview über seine Rolle. Mit anderen Worten, Kellys kaltschnäuziges Motto: „Wir verkaufen den Mond!“ gefällt dem bodenständigen Mann von Ehre und Gewissen überhaupt nicht. Er befürchtet, aus der Mondrakete, die er starten soll, könnte unter dem Einfluß der PR-Tussi eine fliegende Litfaßsäule werden. Als er sich weigert, NASA-Ingenieure für einen Werbefilm zur Verfügung zu stellen, engagiert die pfiffige Marketingstrategin dreist Schauspieler, die für sie in die Rollen schlüpfen. Und die „Besenkammer“, die ihr zunächst als Büro zugewiesen wird, bringt sie mit Hilfe von NASA-Personal, das sie mal schnell einer Funktionsaktualisierung unterzieht, in Form. „Sie ist wirklich das Allerletzte, womit er gerechnet hätte“, beschreibt Tatum das problematische Aufeinandertreffen. „Kelly kommt rein wie ein Hurrikan, und seiner Ansicht nach ruiniert sie alles und schafft mehr Probleme als Lösungen.“
Doch das New Yorker Werbe-As sitzt am längeren Hebel: Moe Burkus (Woody Harrelson), der Verbindungsmann der Regierung Nixon, hat Kelly, die vorher den Automobilkonzern Ford in die Spur brachte, nämlich höchstpersönlich für den Auftrag auserkoren. Und gegen präsidialen Einfluß kann Cole nichts ausrichten. Er arrangiert sich also mit der adretten Blondine und stellt rasch fest, daß sie über die optische Anmutung hinaus noch weitere Vorzüge hat. Als Moe, Nixons Mann fürs Grobe, für den Fall, daß die Mondlandung scheitern sollte, in einem Studio auf Kap Kennedy die Apollo-11-Mission nachstellen will – kleine Anleihe bei dem Klassiker „Unternehmen Capricorn“ (1977) –, raufen sich Kelly und Cole zusammen, um den Betrug zu unterbinden.
Das Gespräch mit der NASA wurde zum Glücksfall für den Film: Regisseur Greg Berlanti bekam Zugang zu nie gezeigten Archivaufnahmen, die er in seinen Film einbauen durfte. Außerdem war das der Türöffner für Gespräche mit einer Reihe technischer Berater, die bei der Mondmission im Juli 1969 dabei waren.
„Du bist so gut darin, mir keine Wahl zu lassen“, resigniert Cole in einer Szene im letzten Drittel von „To the Moon“. Das bringt die kleine Schwäche, die der Film hat, gut auf den Punkt: Channing Tatum in der Rolle des Cole ist leider kein Cary Grant oder Rock Hudson. Der edelmütige, wackere, ordnungsliebende Militärpilot a. D. bleibt zu sehr im Schatten der charismatischen, umtriebigen und eloquenten Kelly. Mit seinen konservativen Werten ist er ganz offensichtlich gedacht als Kompromißangebot für Kinobesucher, die republikanisch wählen. Johansson und Woody Harrelson sorgen mit ironischen Seitenhieben auf Richard Nixon, deren heimlicher Adressat der aktuelle Präsidentschaftsbewerber der Republikaner sein dürfte, für das demokratische Gegengewicht.
Ein Film also, der humorvoll zusammenbringt, was derzeit in den USA in Lager zerfällt. Und was könnte dienlicher sein zur Überwindung dieser Gräben als die gemeinsame Erinnerung an historische Meisterleistungen? Das Spektakel vom Sommer 1969 als Kulisse für eine romantische Komödie zu wählen ist auf jeden Fall eine Idee, die zündet.
Foto: Channing Tatum spielt den ehemaligen Luftwaffenpiloten Cole Davis: Mann mit Gewissen
Kinostart ist am 11. Juli 2024