Mehrere Lebensrechtsorganisationen haben scharfe Kritik an dem vom Bundestag vorige Woche beschlossenen Verbot von Mahnwachen vor Abtreibungseinrichtungen geübt. Danach sind künftig in einem Bereich von 100 Metern um den Eingang von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und Abtreibungskliniken „bestimmte, nicht hinnehmbare Verhaltensweisen“ untersagt.
Die Bundesvorsitzende der „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA), Cornelia Kaminski, bezeichnete den Beschluß laut einer Mitteilung als einen „Tiefpunkt“ der „ideologiegetriebenen Politik“ der Bundesregierung. Durch die Entscheidung des Bundestages vom 5. Juli würden rund um Abtreibungseinrichtungen und Beratungsstellen „Zensurzonen“ errichtet. Wer in einem Umkreis von 100 Metern für Schwangere in Not bete, werde künftig mit einem Bußgeld von 5.000 Euro bestraft.
Nachvollziehbar wäre ein solches Gesetz allenfalls dann, so Kaminski weiter, wenn es tatsächlich notwendig sei, Frauen vor „‚Belästigungen‘“ im Umfeld solcher Einrichtungen zu schützen und dies auf andere Weise nicht möglich sei. Allerdings sei kein einziger Fall aktenkundig, in dem eine Betroffene tatsächlich deswegen Anzeige erstattet habe.
Eingriff in die Meinungs- und Versammlungsfreiheit
Belästigungen seien zudem bereits jetzt verboten; hierfür bedürfe es keines eigenen Gesetzes. Jede Regulierung der Versammlungsfreiheit falle darüber hinaus in die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Die Bundesregierung agiere also übergriffig.
Ferner stehe bereits seit Mai 2023 fest, daß das neue Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben werde. Damals hatte das Bundesverwaltungsgericht Leipzig letztinstanzlich entschieden, daß ein Verbot von Mahnwachen außerhalb von Abtreibungseinrichtungen verfassungswidrig sei.
An anderer Stelle sei die Regierung dafür „großzügiger“: So würden Demonstrationen, die ein Kalifat in Deutschland forderten, nicht verboten und antisemitische Demonstrationen und Umtriebe an Hochschulen als Ausdruck von Meinungsfreiheit geduldet. „Anders geht man mit Christen um: Sie werden durch die Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes stigmatisiert und kriminalisiert.“ Wer so vorgehe, offenbare jedoch nicht nur ein mangelndes Demokratieverständnis.
Kritik kommt auch von der Vereinigung „Ärzte für das Leben“. Julia Kim und Kai Witzel vom Vorstand der Lebensrechtsorganisation bezeichneten den Bundestagsbeschluß in einer Stellungnahme vergangenen Freitag als massiven Eingriff in die Rechte auf Religions-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit. „Das zur Rechtfertigung dieser Grundrechtseinschränkungen angeführte Ziel, damit ‘Belästigungen’ von ärztlichem Personal in Abtreibungseinrichtungen zu unterbinden, ist eine Fata Morgana.“
Vielmehr konnten Ärzte so ungestört arbeiten, daß die Abtreibungszahlen innerhalb von zwei Jahren gestiegen sind. Wer aber zutiefst überzeugt sei, Frauen in existentieller Not mit einer Abtreibung zu helfen, und darin nichts weiter sehe „als die Entleerung einer Gebärmutter, der wird die Aussage von Lebensrechtlern, hier handele es sich um vorgeburtliche Kindstötung, bestenfalls belächeln“.
Daß Ärzte in Abtreibungseinrichtungen sie stattdessen aber als Behinderung ihrer Arbeit und Belästigung betrachteten, zeige daher vor allem eins: „Sie wissen, was sie tun.“