Unter dem Titel „Vom Wehrmachtsoffizier zum führenden CDU-Parlamentarier“ nimmt Klaus-Peter Friedrich, freiberuflicher, in der „Geschichtswerkstatt Marburg“ aktiver Historiker, zwei Biographien über Alfred Dregger (1920–2002) kritisch unter die Lupe (Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 6/2024). Dabei wird er rasch fertig mit der schon 2019 veröffentlichten Arbeit über den „Leuchtturm des rechten Flügels in der Union“ des Journalisten Dieter Weirich, da ihrem Verfasser als persönlicher Referent Dreggers, als Pressesprecher der Hessen-CDU sowie als christdemokratischer Landes- und Bundestagsabgeordneter wohl die für eine wissenschaftlich-objektive Darstellung nötige Distanz gefehlt habe.
Eine echte Herausforderung für Friedrich ist hingegen die 2023 publizierte Biographie der Stuttgarter Historiker Wolfram Pyta und Nils Havemann, die sich wesentlich intensiver als Weirich den soziokulturellen Prägungen widmet, die der einzige nach 1990 im Bundestag verbliebene Offizier der Wehrmacht, der noch „an vorderster Front gekämpft“ hatte, während der NS-Herrschaft erfuhr. Hierzu muß Friedrich dem Urteil Pytas und Havemanns zustimmen, daß der bürgerliche Katholik Dregger den „Kernbestandteilen der NS-Ideologie grundsätzlich ferngestanden“ habe. Letzte Gewißheit, moniert Friedrich, hätten darüber seine Feldpostbriefe von der Ostfront verschaffen können. Sie sind aber so spärlich überliefert, daß das Attest der Biographen, darin fänden sich weder judenfeindliche Rhetorik noch NS-typischer Kulturimperialismus gegenüber den Russen und anderen „Völkern der Sowjetunion“, nur mit Vorbehalt zu akzeptieren sei. Zudem verlor Dregger nie ein Wort über die Verbrechen an der sowjetischen Zivilbevölkerung. Vielleicht, wie Pyta und Havemann vermuten, weil er 1943 zu spät an den Mittelabschnitt der Ostfront kam, um zumindest mit den „Hinterlassenschaften des ideologisch-rassistischen Vernichtungskriegs konfrontiert zu werden“.
Wenn Dregger den „Ostkrieg“ wahrscheinlich ohne den ideologischen Ballast führte, den viele Kameraden mitschleppten, sei doch unbestreitbar, daß seine politischen Grundüberzeugungen sich aus den Kriegserfahrungen speisten: sein Nationalismus ebenso wie sein Antikommunismus. Mit der Wiedervereinigung erfüllte sich für den konservativen Vertreter des innerparteilichen „Stahlhelm“-Flügels, der auf dem CDU-Parteitag von 1978 ausrufen konnte: „Wir lieben unser Volk, wir lieben unsere Nation“, ein „Lebenstraum“ – weil seine Generation das deutsche Volk noch als „spirituelle Familie“ (Ernest Renan) erlebte.
Über die „dunklen Seiten“ dieses konservativen Nationalismus, etwa über Dreggers Einsatz für inhaftierte „SS-Verbrecher“, über den „provokativen Trotz“, mit dem er sich 1995 weigerte, den 8. Mai 1945 als „Tag der Befreiung“ zu nennen, und dessen offene Kritik an Reemtsmas Wanderausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ ihn zuletzt zum Stichwortgeber der sich formierenden Neuen Rechten werden ließ, seien Pyta und Havemann leider viel zu leicht hinweggeglitten.
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