Der Autor Nickolas Emrich ist ein Lebemann. Sein Curriculum vitae: ziemlich bunt. Als studierter Rechtswissenschaftler startete er mit 23 Jahren ein Unternehmen. Mit kaum Eigenkapital und ohne Gelder vom Vater katapultierte er sich zu einem Franchisenehmer der Gastro-Kette „Immergrün.“ Zunächst mit fünf eigenen Filialen, später als Gebietsentwickler von über zwanzig Filialen. Nach fünf Jahren in der Restaurantbranche eine unerwartete Wendung: Emrich trat eine Ausbildung zum Polizisten an. Seine Motivation? Mal Arbeitnehmer sein und in verschiedenste Gesellschaftsschichten Einblick erhaschen. Nach sieben Jahren beendete er seine Karriere als Kommissar. Von da an und bis heute ist er als Publizist tätig und schreibt eine Vielzahl von Büchern.
Seine aktuelle Publikation „Gier nach Privilegien“ bespricht die gesetzlichen Vorteile, die es in jeder Schicht der Gesellschaft gibt. Er beantwortet die per se unlogisch klingende Frage: Wie wenig muß der Bürger leisten, um etwas zu verdienen? Oder anders ausgedrückt: Sind Vorteile, die der Bürger aufgrund seiner beruflichen oder privaten Position innehat, wirklich gerechtfertigt und nachhaltig, vor allem aus Sicht der Gesellschaft? Emrich beleuchtet möglichst alle Privilegien, die der heutige deutsche Staat bietet. Auf einige kommt man nicht direkt wie zum Beispiel das Privileg, einen alten Mietvertrag zu haben und deutlich weniger Miete zu zahlen als seine Nachbarn. Das Privileg, im Job unkündbar zu sein. Das Privileg, einen guten Steuerberater zu kennen, der einem beim „Steuersparen“ hilft.
Privilegien, an die manche gar nicht denken, erörtert er im Buch detailliert und kritisch. Es sind die vergleichsweise hohen Gehälter und Diäten für Politiker, die für diese nicht einmal einen Berufsabschluß vorweisen müssen. Auch ein Privileg und in den allermeisten Branchen unvorstellbar. Es sind die Großkonzerne, die gegenüber neugegründeten Firmen Lobby-Vorteile und Steuervorteile genießen. Auch Arbeitslose, die „beim Deutschen Theater 3 Euro statt 48 Euro für eine Eintrittskarte“ zahlen, sind privilegierte Bürger. Neben all den anderen Vorteilen, die der Arbeitslose genießt: übernommene Miet- und Heizkosten sowie Sozialleistungen. Damit verdeutlicht er, daß der Begriff Privileg völlig wertfrei und losgekoppelt von Glanz und Gloria zu betrachten ist.
Unsere politischen Strukturen sind Quelle für ausufernde Privilegien
Doch was hat der Staat mit dem Theaterticket oder dem alten Mietvertrag zu tun? Laut Emrich ist der Staat, genauer die politischen Strukturen und noch genauer, der Bürokratieapparat, die Quelle für die ausufernden Privilegien, die seiner Meinung nach wirtschaftliche und gesellschaftliche Schäden anrichten. Es ist der Staat, der die Mechanismen der Umverteilungen, der Subventionen und der Steuergelder kontrolliert und der bestimmt, für wieviel und ob ein Arbeitsloser das Theaterticket vergünstigt bekommt, inwieweit der Immobilienmarkt reguliert wird oder wieviel die Politik subventioniert wie „beim geplanten Intel-Werk: zehn Milliarden Euro schießt der Staat dazu“. Vor allem aber gestaltet sich der Regierungsapparat seine ganz eigenen Privilegien nur zu gern. Emrich schreibt: „Über Millionenbetrug bei Corona-Testzentren, die abgehobenen Pläne zur Erweiterung des Kanzleramts, die ausufernde Aufstockung des Ministerialbeamtentums, die gescheiterte Pkw-Maut und die Eskapaden rund um den Berliner Flughafen (…)“, – all der Prunk und all die Fehler hätten ein selbsttragendes Unternehmen längst zerstört. Das ist die Hauptkritik in Emrichs Buch, daß der Staat keine Kompetenz für seine eigenen Produkte hat: den nachhaltigen Umgang mit Steuergeld und die kontrollierte, freie Marktwirtschaft. Die genannten Beispiele der Regierungsausgaben sind vielzitiert. Die Summen längst bekannt. Aber was kostet das Aussehen eines Politikers? „Annalena Baerbock gab im vorletzten Jahr 136.500 Euro für ihre Maskenbildnerin aus“, schreibt Emrich. Der Visagist von Olaf Scholz war zwar günstig mit 40.000 Euro, dafür knipste sein Fotograf für eine halbe Million Euro Bilder vom Kanzler. Steuergeld ist fremdes Geld und die willkürlichen Ausgaben „ein Privileg, das eindeutig ein Systemfehler ist“, so Emrich. Genauso ist es ein Systemfehler, daß Angela Merkel als Ex-Bundeskanzlerin immer noch mit 57.000 Euro für Kosmetik und Haare vonSteuergeld profitiert.
„Politik ist das Problem, nicht die Lösung“, übertitelt Emrich sein letztes Kapitel. Sein Vorschlag zur Verbesserung der politischen Landschaft: den aufgeblähten Regierungsapparat großflächig reduzieren und so den Privilegienstaat Schritt für Schritt abbauen. Es gilt kompetentere Politiker zu fordern, die durch Eignungstests ihre Positionen bekommen, so auch üblich im Auswärtigen Amt. Ihre Stellung sollten sie durch erbrachte Leistung immer wieder beweisen. Wie es auch in anderen Branchen üblich ist. Eine Reduzierung der Politik einschließlich der Forderung nach mehr Kompetenz würde die wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage florieren lassen und auch Privilegien wie vergünstigte Theaterkarten oder überdimensionierte Subventionen für Firmen gesünder regulieren. Er ist überzeugt, daß jene Veränderung oben, in der Politik, losgehen muß. Doch welcher Politiker wird auf seine Diäten, Gehälter und Visagisten verzichten oder gar eine Steuersenkung anstreben? Dies scheint eine reine Bewußtseinsfrage und geht nur mit Aufklärung. Je mehr Menschen sich alle existierenden, gesetzlichen Privilegien wirklich bewußtmachen, desto eher kommen diese in den öffentlichen Diskurs und setzen Regierende unter Druck. So zumindest der Gedanke Emrichs und die Motivation hinter seiner dezidiert libertären Arbeit.
Nickolas Emrich: Gier nach Privilegien. Warum uns die Politik in eine Sackgasse führt. FinanzBuch Verlag, München 2024, broschiert, 224 Seiten, 18 Euro