© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30/24 / 19. Juli 2024

Ein historischer Knall
Attentat auf Donald Trump: Diesseits wie jenseits des Atlantiks fällt das Innehalten nur kurz aus
Fabian Schmidt-Ahmad

Manchmal wird der Lauf der Welt durch einen Wimpernschlag bestimmt. Der Moment, als Donald Trump bei einer Wahlveranstaltung in Butler, Pennsylvania, kurz zur Seite schaute und ein Heckenschütze nur die Ohrmuschel Donald Trumps, des ehemaligen US-Präsidenten und Herausforderers des jetzigen streifte – selten hat sich Geschichte so verdichtet wie hier. Hochbezahlte Wahlkampfmanager, die in mühevoller Arbeit Kandidaten wie Spielfiguren aufbauen, um den Menschen Geschichten zu erzählen – alles sinnlos, wenn der größte „Spin Doctor“ – das Schicksal – eingreift und alles Menschenwerk umwirft.

Kein Roman-, kein Drehbuchautor hätte sich das ausdenken können. Als der erste Schuß auf Trump fiel, soll sich der Feuerwehrmann Corey Comperatore aus dem nahe gelegenen Sarver schützend auf seine Familie geworfen haben. Ein Folgeschuß traf ihn tödlich am Kopf. Das Versagen des elitären Secret Service ist unfaßbar. Wie konnte ein Attentäter mit einem Gewehr auf das Gelände gelangen, von Zuschauern Minuten vorher entdeckt werden – und dennoch das Feuer eröffnen? War Trumps Warnung vor einem „Tiefen Staat“ doch gerechtfertigt, fragen sich seither nicht nur dessen Anhänger.

Und natürlich Trump selbst. Als er das Sicherheitsprotokoll absolut mißachtend wieder in voller Größe aufstand, seine Leibwächter überragend, und mit blutverschmiertem Gesicht trotzig der ganzen Welt und der Presse die Faust entgegenstreckte. Der seinen eben noch verängstigten Anhängern ein dreifaches „Fight!“ entgegenschleuderte. Die darauf mit tosenden „USA“-Rufen antworteten. Was für ein surreal monumentales, was für ein durch und durch amerikanisches Bild. Wie soll gegen ein solches, mit Urgewalt alles überrollendes Narrativ angegangen werden?

Selbst für mystischen Schauer ist gesorgt, wenn vor Monaten der Prediger Brandon Biggs in einer Vision präzise das mißglückte Attentat beschrieb und weiter prophezeite, das Ereignis sei der Ausgangspunkt für eine neue, patriotische Bewegung, die Trumps Widersacher bezwingen und ihn zurück ins Weiße Haus bringen werde. Die Weltseele zu Pferde, die nun im SUV fährt – gegen diese gewaltige Erzählung hilft eigentlich nur – ja, was denn? So recht weiß das derzeit auch der politisch-mediale Komplex nicht.

Zunächst gilt die Devise, das ungeheure Ereignis zu zerreden, was zu bizarren und unfreiwillig komischen Überschriften führt wie „Secret Service holt Trump von der Bühne, als er bei einer Kundgebung hinfällt“ (CNN). Eifrig wurde diese Sprachregelung vom Wurmfortsatz diesseits der See aufgegriffen. „Lauter Knall bei Wahlkampfrede“ („Tagesschau“), „Donald Trump nach Zwischenfall auf Wahlkampfveranstaltung verletzt“ (Süddeutsche Zeitung) oder „Donald Trump nach Schußgeräuschen bei Wahlkampfveranstaltung mit Blut am Ohr evakuiert“ (Spiegel).

„Zwischenfall“, „Knallgeräusche“ – bitte gehen Sie weiter. Falls es etwas zu sehen gibt, werden wir sie schon informieren. Unhöflicherweise ignorierten republikanische Politiker wie Trumps Vizepräsidentenkandidat James David Vance das Meinungsmonopol von CNN & Co. und warfen dem demokratischen Rivalen moralische Verantwortung für das vergiftete Klima vor. Zur Erinnerung: Präsident Joe Biden beschimpfte seinen Vorgänger als „Diktator“, der die Demokratie abschaffen wolle. An anderer Stelle forderte er: „Es ist an der Zeit, Trump ins Fadenkreuz zu nehmen.“ Das bezeichnete er nun rückwirkend als „Fehler“.

Zahllose Entgleisungen, die besonders mutig unter den deutschen Vervielfältigern ausfielen. Namentlich das Sturmgeschütz für Oppositionsbeschimpfung tat sich hier hervor. Entsprechend verschnupft reagierte der Spiegel auf Senator Vances Erinnerung und nannte diese einen „infamen Tweet“. „Geschichte ist kein Schicksal“, heißt es beleidigt: „Die Republikaner können immer noch zu einem zivilen politischen Diskurs zurückkehren – und die Demokraten einen Kandidaten aufstellen, der Trump schlagen kann.“

Beim Spiegel handelt es sich um das gleiche Magazin, das in seinem „zivilen politischen Diskurs“ Trump auf Titelblättern als tobenden Affen, halsabschneidenden Terroristen, erdverschlingenden Meteoriten oder einfach Ku-Klux-Klan-Anhänger verunglimpfte. Nein, Selbstreflexion wird es nicht geben. Nur Ärger, wie das Schicksal einen foppt. Was in diesem Milieu viele denken, einige sprechen es aus: „Leider knapp verpaßt“ schimpft der freie ZDF-Autor Sebastian „El Hotzo“ Hotz. „Ich finde es absolut fantastisch, wenn Faschisten sterben.“

Hotz ist vor allem als Mitarbeiter von Jan Böhmermann bekannt. Das ist der mit „vielleicht einfach mal ein paar Nazis keulen“. Gegnern das Recht auf Leben absprechen und das ernstlich für einen Kampf gegen den Faschismus halten – die Linke ist ein intellektueller wie moralischer Trümmerhaufen; der politisch-mediale Komplex eine von der Wirklichkeit umzingelte Burg. Von hier kommen keine neuen Impulse. Das Moment der Geschichte liegt eindeutig bei der Rechten, allen voran Trump.

Instinktsicher erkannte er dies. Auf den rüden Ton angesprochen, soll Trump einmal zum besten gegeben haben, seine politischen Gegner hätten die Medien, er nur sein Megaphon. Und das würde er lauter und lauter drehen. Doch vom tückischen Mantel der Weltgeschichte geknebelt, müssen diese für eine Weile das Geschrei dämpfen. Was wird Trump sagen, wenn er zum ersten Mal nicht den Lärm übertönen muß? Wenn ihm die Welt zwar nicht freundlich, aber doch offen zuhören wird?

Trump verwarf seine ursprünglich geplante, kämpferische Rede zum Nominierungsparteitag der Republikaner. Er wolle die Menschen nun versöhnen, sie einen, kündigte er im Vorfeld an. Wie wird die Welt darauf reagieren? Einzig die Antwort aus Deutschland ist bereits jetzt klar. Unsere Elite, die schwer am Manko trägt, nicht als 51. Bundesstaat unmittelbar mitreden zu können, wird weiterhin besserwisserische wie belanglose Geschmacklosigkeiten über den Atlantik schicken.

Noch in der Nacht nach dem Attentatsversuch warnte der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung öffentlich, sich auf eine weitere Amtszeit Trumps einzustellen. „Neben den intensiven Vorbereitungen der Bundesregierung, die hinter den Kulissen sehr intensiv, aber selbstverständlich vertraulich laufen, braucht es auch einen Schulterschluß der demokratischen Parteien, Fraktionen und politischen Stiftungen.“ Wir fühlen tief die Last unserer Elite. Es wird Zeit, es Trump gleichzutun und sie davon zu erlösen.