Es ist ganz egal, wie man zu Jürgen Elsässer, seinen publizistischen, politischen und geschäftlichen Aktivitäten steht: Das Verbot seiner Zeitschrift Compact auf dem Umweg über das Vereinsgesetz durch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ist eine Ungeheuerlichkeit, ein Willkürakt und ein Schlag gegen die Presse- und Meinungsfreiheit.
Artikel 5 Grundgesetz besagt: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.“ Dazu gehört, nebenbei gesagt, die Freiheit, Falschmeldungen, realitätsferne und regierungsnahe Propaganda und selbst Feinbilder zu publizieren. Dieses Recht wird allgemein praktiziert und anerkannt. Andernfalls hätten die meisten großen Medienhäuser aufgrund ihrer Berichterstattung nach der Grenzöffnung 2015, während des Corona-Regimes und zuletzt im Zuge der angeblichen Geheimkonferenz am Wannsee schärfste Restriktionen und Regreßmaßnahmen gewärtigen müssen.
Mit dem Verbot verbunden waren Hausdurchsuchungen in den Morgenstunden und die öffentliche Vorführung Elsässers. Genüßlich veröffentlichten die Qualitätsmedien Fotos, die ihn halb schlafend, im Bademantel und sichtlich geschockt vom Anblick der mit Sturmhauben bewehrten Beamten zeigen. Sogleich setzte eine breite Berichterstattung und zustimmende Kommentierung ein: Offenbar gab es eine ganze Anzahl vorab informierter oder – in der Sprache der Kriegsberichterstattung – „eingebetteter“ Journalisten, die in den staatlichen Übergriff eingeweiht waren. Kein einziger von ihnen hat es für seine Bürgerpflicht und eine Frage der Berufsehre gehalten, zwecks Gefahrenabwehr die Sturmglocke zu läuten. Der politisch-mediale Komplex ist unverbrüchlich.
Solche Szenen werden sonst aus diktatorisch regierten Staaten, etwa aus Rußland, präsentiert, um die brutale Willkür der Herrschenden, die Beliebigkeit des formalen Rechts und die Ohnmacht des Einzelnen zu illustrieren und damit beim Zuschauer Abscheu zu erzeugen. Nun werden ihm aus dem eigenen Land ganz ähnliche Bilder vorgeführt, und zwar im Modus der Affirmation und Bestätigung. Das ist eine gleichsam brutale Ansage, die auf Angstmache und Einschüchterung abzielt. Denn nun geht die Frage um: Welche Medien, welche Autoren und sonstige Akteure sind als nächstes an die Reihe?
Die Aktion ist eine weitere Drehung der Repressionsspirale gegen Oppositionelle, die es wagen, mehr als nur Symptomkritik an der zerstörerischen Politik der Regierung zu üben. Vor allem fürchtet man den Durchmarsch der AfD bei den anstehenden Landtagswahlen in drei östlichen Bundesländern. Zeitlich passend, hat das Dresdner Verwaltungsgericht es gerade für statthaft erklärt, daß der Verfassungsschutz die sächsische AfD als „gesichert rechtsextrem“ unter Beobachtung stellt.
Laut Faeser ist das Verbot ein „harter Schlag“ nicht gegen die Pressefreiheit, sondern „gegen die rechtsextremistische Szene“. Doch leiden Begriffe wie dieser längst an Beliebigkeit. Während heute Juden in Deutschland, die Opfer von antisemitischen Vorfällen werden, ein nur noch geringes Vertrauen in öffentliche Institutionen wie Polizei, Gerichte und Bundesregierung – und damit unmittelbar auch an Faesers Amtsführung – bekunden, rechtfertigt die Ministerin das Verbot unter anderem damit, daß Compact „auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden“ hetze. Doch die fühlen sich von ganz anderen – und zwar ganz handfest – bedroht. Die wirkliche Gefahr beim Namen zu nennen aber ist riskant. Faeser und der Verfassungsschutz könnten das als islam- und ausländerfeindlich auslegen.
Derartige kompakte Wahnsysteme sind intern nicht zu widerlegen. Ideologische Überzeugungstäter sind immun gegen Argumente und Fakten und steigern sich, wenn sie auf Widerstand stoßen, in einen gemeingefährlichen Fanatismus hinein. Nur scheinbar ist es ein Widerspruch, daß diese Frau, die stets verbissen in die Kamera schaut und der ihre öffentlichen Äußerungen zu Maschinengewehrsalven auf einen imaginierten rechten Staatsfeind geraten, sich als Kämpferin gegen Haß und Hetze geriert. Sie verkörpert die Verrücktheit, die diesen Staat überwältigt hat.
Schon länger leben wir einer Art Doppelstaat. Zum einem im Staat der Rechtsnormen und des Grundgesetzes, der dem Einzelnen seine Freiheiten gegenüber den Institutionen garantiert. Zum andern im Staat der Maßnahmen, in dem die Regierung beziehungsweise die an der Regierung befindlichen Parteien den Anspruch erheben, die Rechtsordnung und das Verfassungsverständnis selbstherrlich zu bestimmen.
Sie erklären das zum verbindlichen Recht, was ihnen politisch und ideologisch recht ist. Dem Bürger werden seine Freiheitsrechte genommen, um ihn auf den weltanschaulichen Tugendpfad zu zwingen: auf den Pfad der grünen Transformation, der Zustimmung zur Ukraine-Politik und des Multikulturalismus. Wer Widerspruch kundgibt, soll auch auf den Schutz des Gesetzes und der Institutionen nicht mehr rechnen dürfen.
Ihm soll es ergehen, wie es der englische Bischof William Laud, ein Anhänger des königlichen Absolutismus, 1621 in seiner Predigt zum Geburtstag von König Jakob I. erklärt hat: „Wenn jemand das Allgemeinwohl zugunsten seines Privatinteresses hintanstellt, so mangelt es ihm an Frömmigkeit und vergebens wünscht er sich Frieden und Glück.“ Zur Erläuterung: Mit „Allgemeinwohl“ waren die Selbstherrlichkeit des Königs und mit „Frömmigkeit“ der bedingungslose Gehorsam gemeint. Mit dem Compact-Verbot neigt die Waagschale sich weiter zum Maßnahmenstaat, dem eine vom politisch-medialen Komplex emanzipierte Medienszene ein Dorn im Auge sein muß.
Vielleicht werden Richter in ein paar Jahren für Compact entscheiden und die Pressefreiheit und den Normenstaat gegen Faeser und ihre Nachfolger stärken. Bischof Laud wurde 1633 zum Erzbischof von Canterbury ernannt. Allerdings ließ das Parlament ihn 1640 verhaften, 1645 wurde er enthauptet.