© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30/24 / 19. Juli 2024

Goldman-Sachs-Bericht warnt vor einem Platzen der KI-Blase
Revolutionäre Katerstimmung
Thomas Kirchner

An den Aktienmärkten herrscht weiter Euphorie über die angeblich unbegrenzten Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI), doch nun melden sich Skeptiker zu Wort. Nicht einer der üblichen Skeptiker, sondern ausgerechnet Jim Covello, ein Analyst von Goldman Sachs, ist der Spielverderber. Co-Autor des 31seitigen Berichts ist Daron Acemoğlu vom Massachusetts Institute of Technology, der über wirtschaftliche Folgen technologischer Neuerungen forscht. Doch damit nicht genug: David Cahn, Partner beim Risikokapitalgeber Sequoia, warnt vor einem Kippunkt der Kursrallye. Wie schon gewarnt (JF 27/24), ist der Kritikpunkt, daß KI noch beweisen muß, daß sie die hohen Erwartungen erfüllen kann.

Die Bewertungen der KI-Firmen sind auf eine Revolution durch KI eingestellt, aber KI ist teuer. Es wird geschätzt, daß allein die Kalibrierung eines Modells mit Daten eine Milliarde Dollar kostet. Schätzungen für das Training in Entwicklung befindlicher Modelle reichen von zehn bis 100 Milliarden. Dazu kommen die Anschaffungskosten der Chips, dazugehöriger Hardware, plus hohe Stromkosten im Betrieb. Damit ist die Hürde für KI hoch, einfache Tätigkeiten kosteneffizient zu ersetzen. Traditionelle Automatisierung ohne KI dürfte oft günstiger bleiben. McDonalds stellte ein von IBM entwickeltes KI-System zur Annahme von Bestellungen wieder ein. Andere Fast-Food-Ketten kämpfen mit Fehlerquoten zwischen zehn und 14 Prozent.

Acemoğlu schätzt, daß in den nächsten zehn Jahren nur ein Viertel aller Tätigkeiten, für die KI prinzipiell in Frage käme, auch tatsächlich kostengünstig ersetzt werden können. Das wären nur fünf Prozent aller Tätigkeiten. Die Produktivitätsverbesserung der US-Wirtschaft würde 0,5 Prozent betragen, was über zehn Jahre das Wachstum kumulativ um 0,9 Prozent steigern würde. Ein anderer Goldman-Analyst, Joseph Briggs, schätzt die Produktivitätssteigerungen auf neun Prozent und das kumulative Wachstum auf 6,1 Prozent über zehn Jahre.

Fraglich ist auch, ob die bei neuen Technologien üblichen Kostensenkungen bei KI im gewohnten Umfang zu realisieren sein werden. Mit jeder Weiterentwicklung steigt bei KI die benötigte Datenmenge exponentiell, so daß sogar eine Kostenexplosion dieser Technik denkbar ist. Covello unterstreicht den Unterschied der Neuerung durch KI mit der des Internets, das bereits in seiner Frühphase mit günstigen Lösungen teurere Prozesse verbilligen konnte. Eine Billion Dollar soll in den nächsten Jahren in KI investiert werden: Rechenzentren mit Chips, Daten, Ausbau der Stromproduktion, denn der Energiebedarf wird merklich steigen. Doch um auf diese Summe eine ordentliche Rendite zu erwirtschaften, bräuchte es eine weite Verbreitung mit Anwendungen, die aber noch nicht abzusehen sind.

Wie wenig einsatzfähig KI ist, sieht man an der Bewertung des Startups Scale, das gerade eine Milliarde Dollar an Kapital bei einer Bewertung von 13,8 Milliarden Dollar aufnahm. Das Geschäft: die Antworten von KI durch Menschen überprüfen zu lassen. Denn die Tendenz von KI, frei erfundenen Unsinn zu produzieren, begrenzt die praktischen Einsatzmöglichkeiten. Statt mit dem Internet sollte man die KI-Neuerung mit Blockchain- und Kryptotechnik vergleichen. Auch das ist eine interessante Technik, in die Milliarden investiert wurden, und die allerlei Bereiche revolutionieren sollte. Doch bis heute wartet man auf einen tatsächlichen Einsatz in der wirtschaftlichen Praxis.