Vergangenes Jahr ist das weltweite Privatvermögen um vier Prozent gewachsen. Das ist angesichts hoher Inflationsraten nicht viel. Gewachsen ist dabei auch der Unterschied zwischen Arm und Reich. Das geht aus dem „Global Wealth Report 2024“der Boston Consulting Group (BCG) sowie einer vergleichbaren Erhebung der Schweizer Großbank UBS hervor. Die Finanzvermögen (Bargeld, Kontoguthaben, Schuldverschreibungen, Aktien, Investmentfonds und Pensionen) legten dabei am stärksten zu und erhöhten sich um sieben Prozent auf umgerechnet 231 Billionen Franken.
Sachwerte wie Immobilien oder Edelmetalle stiegen um nur zwei Prozent auf 220 Billionen. Die Verbindlichkeiten hingegen erhöhten sich um vier Prozent. „2023 war wieder ein deutlich besseres Jahr an den internationalen Finanzmärkten, vor allem Anlegerinnen und Anleger in Nordamerika und Westeuropa haben davon profitiert“, erklärte BCG-Partner Michael Kahlich. Sein Report zeige, daß der Reichtum am stärksten in Nordamerika wuchs. Die USA liegen mit 100 Billionen Franken weiterhin deutlich an der Spitze. Die Erhöhung des Finanzvermögens in den USA um knapp neun Prozent (8,4 Billionen Dollar) entspricht mehr als der Hälfte des gesamten Nettovermögens in Deutschland. In Zeiten geopolitischer Unsicherheiten zeigten sich klare Trends bei den grenzüberschreitenden Vermögensströmen: „Investoren suchen in Krisenzeiten sichere Häfen im Ausland“, so Kahlich.
Die Schweiz profitiert von ihrer politischen Neutralität, wirtschaftlichen Stabilität und niedrigen Inflation und bietet so attraktive Bedingungen für internationale Anleger. Dahinter folgt Hongkong mit einem Wachstum des Anlagevermögens von 3,2 Prozent. Prozentual am stärksten zulegen konnten in Asien Singapur (plus 7,8 Prozent) und die Emirate.
Die Zahlen für Deutschland sind nach den Angaben schlechter als der weltweite Durchschnitt: Hier gab es 2023 laut BCG Stagnation. Zwar gehört Deutschland weiter zu den vermögenderen Ländern, aber es liegt viel privates Vermögen in Immobilien. Deren Wert entwickelte sich miserabel: Während das Finanzvermögen in Deutschland um fünf Prozent wuchs, schrumpfte der Gegenwert der Sachvermögen um 2,3 Prozent. Nur die „Superreichen“ in Deutschland konnten ihre Finanzvermögen deutlich steigern: um mehr als zehn Prozent. Hauptgrund seien die „boomenden Aktienmärkte“, erläutert Chris-Oliver Schickentanz vom Vermögensmanager Capitell in der ARD.
Die meisten der „Superreichen“ leben allerdings in den USA, gefolgt von China. Zu dieser Gruppe zählt die BCG alle Personen, die über 100 Millionen Dollar Finanzvermögen besitzen. Davon gibt es in Deutschland nur 3.300. Weltweit sind es insgesamt 73.000 Superreiche – ein Drittel davon lebt in den USA. In Deutschland besitzt diese Gruppe 2,1 Billionen Dollar und damit 23 Prozent des privaten Finanzvermögens hierzulande.
Auch die Zahl der Dollar-Millionäre hat sich erhöht. 2023 gab es davon 555.000 in Deutschland. Die Vermögensverteilung in Deutschland ist beiden Studien zufolge „überdurchschnittlich ungleich“. Je niedriger in der Vermögenspyramide angesiedelt, desto niedriger sei auch der Vermögenszuwachs der Einzelnen. Die Vermögensstudien ließen die Forderung nach der Wiedererhebung einer Vermögenssteuer laut werden. „Wer ohnehin schon hat, dem wird gegeben“, sagte Dorothee Spannagel, Expertin für Verteilungspolitik beim Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung: „Es gibt also immer mehr Vermögen am oberen Rand. Die Tendenz ist steigend.“ Das liege auch an der Erbschaftswelle: „Also die Leute, die erben, die den Großteil dieser Erbschaften bekommen, das sind die, die ohnehin schon zu den Reichen und Superreichen gehören.“
Und das sei ein Punkt, an dem man „eingreifen“ müsse. „Es ist halt momentan so, daß es enorme Schlupflöcher in der Erbschaftsteuer gibt.“ Dies könne zu „populistischem Wahlverhalten“ führen. Eine andere Erklärung kommt dagegen von der BCG: Weniger Vermögende setzten traditionell auf risikoärmere Anlageklassen wie Bankguthaben, Bargeld oder Versicherungen – zu Lasten der Rendite.
www.bcg.com/publications/2024/global-wealth-report-the-gen-ai-era-unfolds