© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30/24 / 19. Juli 2024

Von Antifa-Typen bequatscht
Antifa-Area Teil 3: Das unabhängige Jugendzentrum Kornstraße in Hannover gilt als Anwerbestelle für potentielle neue Kampfgenossen
Hinrich Rohbohm

Die Parole an der Hauswand ist eindeutig. „Gegen die Kriminalisierung der Korn und weg mit dem Verbot der PKK“ steht da in dicken, schwarzen Graffiti-Buchstaben geschrieben. Gemeint ist das sogenannte „Unabhängige Jugendzentrum Kornstraße (UJZ)“ in Hannover, ein 1972 aus einer Hausbesetzung entstandener Treff für linksradikale Gruppen. Die Einrichtung gilt bundesweit nicht nur als die älteste ihrer Art. Vielmehr ist „die Korn“, wie sie von ihren Besuchern zumeist bezeichnet wird, zentraler Anlaufpunkt der Hannoveraner Antifa-Szene, und die Graffiti-Buchstaben prangen genau hier, an der Außenwand eines wenig einladend wirkenden Gebäudes in der Kornstraße 28 bis 30, dem Sitz des UJZ.

„Wir wurden da mal über Veranstaltungen an der Uni hingelotst“, erzählen zwei Studenten, mit denen die JUNGE FREIHEIT über mehrere Umwege ins Gespräch kommt. Die beiden Jungs, die anonym bleiben wollen, erinnern sich noch gut an ihren Besuch in der Korn. „Da sollte eine tolle Party steigen, hatten uns Leute vom AStA  versprochen“, sagt Lukas (21), der Jüngere der beiden. Das sei vor zwei Jahren gewesen. „Wir waren gerade erst frisch an der Uni und waren natürlich auch scharf darauf, neue Leute kennenzulernen“, ergänzt der ein Jahr ältere Leon.

Anwerbestelle für potentielle neue Antifa-Kampfgenossen

Die beiden hatten gerade ihr Maschinenbau-Studium aufgenommen und mit Politik „eigentlich“ wenig am Hut. „Und über das UJZ waren wir damals noch null informiert“, gesteht Lukas. Die Neugier habe gesiegt, beide gingen hin. „Schnell war aber selbst uns klar, daß es sich da um einen ziemlich linken Schuppen handelt, aber wir haben da eigentlich keine Vorurteile, so daß für uns erst mal alles easy war.“ Und wenn die Party gut wird, warum nicht, hatten sich die beiden gedacht. Doch die Feier sollte nicht halten, was sich die Jungs erhofft hatten. „Diese Punkmusik war überhaupt nicht unser Ding“, schmunzelt Leon rückblickend. Und auch die Leute dort seien „irgendwie komisch drauf gewesen, wir hatten ständig das Gefühl, daß wir da für irgend etwas rekrutiert werden sollen.“ Tatsächlich ist das UJZ nicht nur Rückzugsort, sondern auch eine Art Anwerbestelle für potentielle neue Kampfgenossen.

„Vielleicht lag’s an mir“, erklärt sich Leon den Umstand, daß sie beide von „diesen Antifa-Typen permanent bequatscht“ und bearbeitet wurden. Wegen seiner etwas längeren Haare wirke er „vielleicht so, als wäre ich ein Linker, sagt er und muß dabei ein weiteres Mal schmunzeln. Dabei seien beide „politisch damals wie heute nicht recht festgelegt“, weil für sie „keine Partei so richtig wählbar“ sei. Erst später hätten sie erfahren, welch symbolträchtiges Gebäude das UJZ Korn für die linksradikale Szene sei. Und seit Jahrzehnten halten die mehrheitlich Verantwortlichen der Stadt schützend die Hand über den Bau, obwohl dessen Betreiber in wiederkehrender Regelmäßigkeit im Verdacht stehen, die in Deutschland verbotene kurdische Terrororganisation PKK zu unterstützen.

Gewaltbereite Klimagruppen gaben sich hier ihr Stelldichein

Während es Anfang der 1970er Jahre noch Widerstand von Sozialdemokraten gegen das linksradikale Projekt gegeben hatte, sorgten ihre Unterstützer durch Masseneintritte von Linksradikalen für eine Machtverschiebung innerhalb der Hannoveraner Sozialdemokraten, hin zu einer Politik, die bis heute zumindest klammheimlich dem UJZ gewogen ist.

Und so ließ die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs unter SPD-Herrschaft stehende Stadt den Bau in den neunziger Jahren sanieren, sogar durch eine Festschreibung als Jugendzentrum und Kinderladen absichern. Mehr noch: 2011 verkaufte die Stadt Hannover ein Nachbarhaus zum Schnäppchenpreis von 200.000 Euro inklusive Umbaukosten an das UJZ.

Inzwischen stellen die Grünen in Hannover den Oberbürgermeister. Eine Partei, die als noch größerer Fürsprecher des Projekts gilt. Doch auch CDU und FDP fütterten die Antifa-Hochburg mit öffentlichen Finanzmitteln. 2015 schüttete das damals noch von einer CDU/FDP-Regierung geführte Land Niedersachsen mehr als 25.000 Euro für Baumaßnahmen an das UJZ Kornstraße aus.

Zudem erhielt das linksradikale Zentrum Mitte bis Ende der siebziger Jahre regelmäßige Finanzspritzen von der Stadt Hannover, um die Kosten für Pacht, die laufende Bewirtschaftung sowie die Anstellung von zwei Sozialarbeitern bezahlen zu können.

Als dann 1982 der Pachtvertrag ausgelaufen war, hatten die Mitarbeiter des UJZ eine Immobiliengesellschaft ins Leben gerufen, kauften auf diese Weise das Gebäude. Sechs Jahre lang ging das gut. Dann kam die Insolvenz, das Gebäude wurde zwangsversteigert. Der Käufer: der Verein zur Förderung politischer Jugendkulturen e.V., der noch heute Träger des UJZ ist.

Wer aber steckt hinter dem Verein? Als Spinne im Netz fungiert hier Dirk Wittenberg. Offiziell ist er lediglich ein Angestellter des Vereins. Doch als Leiter des UJZ ist er die maßgebliche Kraft, die hinter den Aktionen rund um das Zentrum agiert.

Wittenberg ist jedoch nicht einfach nur der Leiter eines Jugendzentrums. Vielmehr gilt er auch als eine führende Figur innerhalb der vom Bundesamt für Verfassungsschutz als linksextremistisch bezeichneten Interventionistischen Linken (IL). Die Organisation strebt an, über breite Bündnisse wie etwa die Klimabewegung oder kirchliche Gruppen in die Mitte der Gesellschaft hineinzuwirken, indem sie versucht, sich an die Spitze dieser Bündnisse zu setzen, sie zu kapern oder zumindest zu infiltrieren. Unter anderem übt sie maßgeblichen Einfluß auf die gewaltbereite Klimagruppe Ende Gelände aus. 

Auch die dem UJZ vorgeworfene Unterstützertätigkeit für die kurdische PKK ist unter diesem Gesichtspunkt nicht zu weit hergeholt. „Wir hatten da allerlei PKK-Propaganda gesehen“, bestätigen auch Lukas und Leon ihre Erinnerungen an die damaligen Räumlichkeiten. Darüber hinaus existiert in dem Haus ein Wandbild des kurdischen PKK-Aktivisten Halim Dener. Der 1977 im osttürkischen Bingöl geborene Dener war 1994 unter falschem Namen als unbegleiteter minderjähriger Asylbewerberc nach Deutschland gekommen.

Kaum angekommen, hatte er gemeinsam mit weiteren „Aktivisten“ Propaganda für eine PKK-Untergrundorganisation betrieben und für diese Plakate am Hannoveraner Steintorplatz geklebt. Die Aktion flog auf, Polizisten erwischten die Gruppe. Nach einem Handgemenge mit Einsatzkräften erschossen Zivilbeamte den jungen Mann. Seitdem gilt Dener unter Kurden und Linksextremisten als Märtyrer. In Hannover wollen sie einen Straßenplatz nach ihm benennen, riefen dazu die „Kampagne Halim Dener“ ins Leben. Deren Sprecher: UJZ-Leiter Dirk Wittenberg.

Die linksgrüne Stadtpolitik drückt gern mal ein Auge zu

Wittenberg war auch Anmelder und Versammlungsleiter der von der kurdischen Organisation NAV-DEM Anfang dieses Jahres durchgeführten sogenannten Newroz-Demonstration. NAV-DEM steht für „Demokratisches Gesellschaftszentrum der Kurdinnen und Kurden in Deutschland“ und gilt als Dachverband für PKK-nahe Vereine.

Interessant dabei: In der Vergangenheit nutzte die PKK Großereignisse wie das kurdische Neujahrsfest für ihre Propaganda-Veranstaltungen.

Doch wer öffnete dem linksradikalen Zentrum die Türen der Politik, sorgte für ihre finanzielle Solvenz, ihre organisatorische Schlagkraft? Die Frage führt erneut in die Historie des Gebäudes: zu Michael Vester, einem Politikwissenschaftler, der in den Anfangsjahren des UJZ selbst regelmäßiger Besucher der Einrichtung war. Heute sitzt er im wissenschaftlichen Beirat der linksradikalen Organisation Attac, ist zudem gelegentlich als Autor für die Rosa-Luxemburg-Stiftung tätig. Zu Beginn der siebziger Jahre war er Vorsitzender des Vereins für angewandte Sozialarbeit, dem damaligen Träger des UJZ.

Er stellte die notwendigen Verbindungen in die Stadtpolitik und insbesondere zum linken Flügel der SPD her, sorgte zudem dafür, daß finanzielle Zuwendungen flossen und sich das UJZ etablieren konnte. Und er hatte einen einflußreichen Fürsprecher und Förderer: Peter von Oertzen, einst stellvertretender Bundesvorsitzender des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) und in den siebziger Jahren Kultusminister des Landes Niedersachsen. Von Oertzen galt damals als einer der führenden Köpfe des linken Flügels in der SPD. Vester wiederum hatte als Hochschulassistent am Institut für Politische Wissenschaft der Technischen Universität Hannover unter von Oertzens Leitung gearbeitet.

Die Voraussetzungen zur Förderung des UJZ durch einflußreiche politische Kräfte waren somit geschaffen. Bis in die Gegenwart. Heute residiert in dem Gebäude neben der Antifa und PKK-Sympathisanten auch die vom Verfassungsschutz als linksextrem eingestufte Rote Hilfe. Öffentliche Fördermittel erhält das UJZ trotzdem weiter. 33.000 Euro jährlich streicht das linksradikale Jugendzentrum für sich ein. 2018 hatten CDU und AfD versucht, den Zuschuß auf null zu setzen. Erwartungsgemäß waren sie damit an den rot-rot-grünen Mehrheitsverhältnissen gescheitert.


Lesen Sie in Teil 4 dieser Reportage über die Antifa-Hochburg Leipzig-Connewitz. Wer ist dort aktiv und welche Verbände leiten Gelder in das linksextreme Zentrum?


Foto: Das Jugendzentrum in der Kornstraße ist der Antifa-Schwerpunkt Hannovers: Rote Hilfe, PKK, Interventionistische Linke und die Antifa nutzen den Rückzugsort