Wie komme ich zur Ruhe?“ fragt das aktuelle Philosophie Magazin (05/2024) in seinem Titelthema und greift damit ein Problem auf, das viele Menschen in ihrem immer hektischer werdenden Alltag voller Hast, Unruhe und Ängsten umtreibt. Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler betont im Editorial, daß gerade in politisch hochnervösen Zeiten der philosophische Weg der „Einbettung, Rückbindung und einer Prise Demut“ sowie die Erkenntnis, daß nun einmal nicht alles in unserer Hand liegt, hilfreich sein können. Dazu müsse man auch nicht unbedingt gläubig sein, jedoch in einem gewissen Sinne religiös, sei doch mit dem lateinischen Wort „religare“ zuallererst „zurückbinden“, „befestigen“ gemeint. Kein schlechter Gedanke, denn völlig religionslose Menschen gibt es bekanntlich nicht, da jeder an irgend etwas glaubt, sei es nun der christliche Gott oder zum Beispiel an die Macht der Naturgewalten. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Zitat des Schriftstellers Max Frisch: „Katastrophen kennt allein der Mensch, sofern er sie überlebt; die Natur kennt keine Katastrophen.“
Friedrich Nietzsche hat in seiner Schrift „Zur Genealogie der Moral“ herausgearbeitet, daß die zu Unrecht verpönte Vergeßlichkeit „ein aktives, im strengsten Sinne positives Hemmungsvermögen“ darstellt. Nur dadurch komme man überhaupt erst wieder in die Lage, ein handelndes Subjekt zu sein, sekundiert ihm Svenja Flaßpöhler und zitiert den großen Alten: „Die Türen und Fenster des Bewußtseins zeitweilig schließen; ein wenig Stille, ein wenig tabula rasa des Bewußtseins, damit wieder Platz wird für Neues, vor allem für die vornehmeren Funktionen und Funktionäre, für Regieren, Voraussehen, Vorausbestimmen (denn unser Organismus ist oligarchisch eingerichtet), das ist der Nutzen der aktiven Vergeßlichkeit.“ Der Kalenderspruch „In der Ruhe liegt die Kraft“ habe jedenfalls seine Berechtigung.
Redakteur Moritz Rudolph beschreibt in seinem Beitrag „Die EU kommt zu sich“ den Erfolg rechter Parteien bei der Europawahl. Damit setze sich nur ein jahrzehntelanger Trend fort, weshalb die alarmistische Rede vom plötzlichen „Rechtsrutsch“ falsch sei. Vielmehr handele es sich um eine „allmähliche Drift in ein rechtes Europa“, das sich keineswegs durch einen Zerfall der Union auszeichne, sondern durch deren Umgestaltung, die an eine konservative Wurzel des Projekts anschließe. Bereits Adenauer und de Gaulle versprachen sich von einem engen Bund die Festigung ihrer Souveränität nach innen und außen, um sich gegenüber den Supermächten USA und Sowjetunion als eigenständige Macht zu behaupten. Ein linkes Europa-Projekt habe es nie gegeben, weil Europa strukturell rechts sei.
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