Politische Einigungen neigen dazu, entweder einen sehr kleinen gemeinsamen Nenner abzubilden oder zu Lasten Dritter zu gehen. Für die grundsätzliche Einigung im Haushaltsstreit der Ampel-Koalition gilt wohl beides. Teil der Beschlüsse sind Planungen für mehr Wirtschaftswachstum und die zukünftige Sicherstellung der Energieversorgung in Deutschland. Durch die weder wirtschaftlich noch technisch notwendige Abschaltung der Kernkraftwerke in Deutschland müssen neue Kapazitäten im Bereich Gas- und Wasserstoffkraftwerke gebaut werden.
Diese dienen im wesentlichen der Netzstabilität, also zum Ausgleich der wetterbedingten Schwankungen der „erneuerbaren“ Energieproduktionsmengen. Die derzeitigen Kapazitäten in Deutschland sind nicht ausreichend, weder zur Abbildung eines Wirtschaftswachstums mit dem einhergehenden Mehrverbrauch an Energie noch zum Ersatz der für die abgeschalteten Kernkraftwerke revitalisierten Kohlekraftwerke, noch zum Ausgleich der immer stärkeren Schwankungen der Ökostromproduktion durch den weiterhin übersubventionierten Ausbau der Ökostromanlagen in den Bereichen Windkraft und Photovoltaik (PV).
Modernisierung älterer Gaskraftwerke zu „H2-ready“?
Die geplanten Kraftwerkskapazitäten dürfen nur produzierte Energie einspeisen und verkaufen, wenn es die Ökostromproduktion oder die Netzspannung erforderlich machen. Die geringen und nicht planbaren Laufzeiten machen den Bau und Betrieb entsprechend für Betreiber unrentabel. Um den Betrieb der Kraftwerke trotzdem zu ermöglichen, hat die Bundesregierung eine neue, weitere Umlage auf den Strompreis ab 2028 beschlossen. Das Bundeswirtschaftsministerium verweigert noch die Veröffentlichung einer Schätzung und läßt sich bezüglich der Umlagenhöhe mit „einer Nachkommastelle“ zitieren. Auf Basis der aktuellen Angaben errechnet das Portal Verivox Mehrkosten für einen Privathaushalt von zwei bis drei Euro pro Monat ab 2028.
Im Rahmen der Kraftwerksstrategie werden zunächst insgesamt 12,5 Gigawatt (GW) an Kraftwerkskapazität und 500 Megawatt (MW) an Langzeitspeichern ausgeschrieben. Mit massiver, noch nicht fertig ausverhandelter Förderung der Investitionskosten werden, vor allem in Süddeutschland, fünf GW an neuen „H₂-ready“-Gaskraftwerken und zwei GW an umfassenden H₂-ready-Modernisierungen ausgeschrieben. Hinzu kommen 500 MW an reinen Wasserstoffkraftwerken, die sofort mit Wasserstoff laufen (Wasserstoffsprinter) und 500 MW Langzeitspeicher.
Die Modernisierung älterer Gaskraftwerke zur möglichen Verbrennung von Wasserstoff ist im Regelfall nur mit einem Aufwand möglich, der unter Berücksichtigung der geplanten Laufzeiten und Genehmigungen ausschließlich bei relativ neuen Anlagen wirtschaftlich ist. Sobald jedoch ein Kraftwerk in die Schwankungsreserve überführt wird und de facto nur zum Lastenausgleich vereinzelt kurz läuft, stellt sich eine entsprechende Modernisierung für die Betreiber als schlechtes Geschäft dar.
Auf die erste Ausschreibungsrunde mit Förderanträgen und Standortsuche sollen in einer zweiten Ausschreibungsrunde weiter fünf GW neue Gaskraftwerkskapazitäten ausgeschrieben werden, bei denen auch der Zwang zu einer wasserstofftauglichen Bauweise noch einmal geprüft werden wird. Die erste Ausschreibungsrunde soll Ende 2024 starten und im zweiten Quartal 2025 abgeschlossen werden. Selbst wenn sich angesichts großzügiger Subventionen aus den Steuern der Stromkunden Interessenten finden, darf bezweifelt werden, daß auch nur ein kleiner Teil der geplanten Anlagen 2028 zur Verfügung stehen wird.
Beim Zeitplan ist mit der zweiten Ausschreibungsrunde entsprechend nach der Bundestagswahl im ersten Quartal 2026 zu rechnen. Neben den politischen Unwägbarkeiten grundlegender Änderungen der Energiepolitik ist das Datum von besonderer Bedeutung, da 2026 auch die aktuelle Förderung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) ausläuft. Das Bundeswirtschaftsministerium scheint bisher trotz erheblichen Drucks von Stadtwerken, Betreibern und Verbänden wenig geneigt, diese Förderung zu verlängern.
Zu unterscheiden sind im KWK-Bereich Blockheizkraftwerke (BHKW), also Anlagen in Gebäuden oder kleineren Industrieanlagen, die eher lokale Gebäude und Prozesse mit Abwärme versorgen, von Großkraftwerken im Sinne größerer KWK-Anlagen. Diese versorgen oft städtische Fernwärmenetze oder große Industrieanlagen, etwa Zementwerke. Bei den meisten KWK-Anlagen handelt es sich um erdgasverbrennende Prozesse, wobei auch hier die Kraftwerke in der Mehrheit sind. Alle KWK-Anlagen zeichnen sich dadurch aus, daß die entstehende Wärme des Prozesses nicht nur den Dampf für die Stromturbinen erzeugt, sondern auch Abwärme, beispielsweise für Fernwärmenetze liefert.
Diese Wärmekapazität und die Netze wären dringend erforderlich, um das sich abzeichnende Desaster der Umsetzung des Gebäude-Energie-Gesetzes zumindest in einigen Städten abzufangen und langfristig den Hausbesitzern einen Zwangsumbau auf Wärmepumpen zu ersparen. Trotz der Verbrennung von Gas, Abfall oder Kohle sind KWK-Anlagen mit einem Wirkungsgrad von ungefähr 90 Prozent anderen Kraftwerkstypen deutlich überlegen. Refinanziert wird die aktuelle Förderung der Anlagen über eine der vielen Umlagen auf den Strompreis, also verbrauchsabhängig.
Umlage zur Finanzierung der notwendigen Kraftwerksreserve
Die bestehenden Anlagen sind also ökologisch sinnvoll, eine der wenigen funktionierenden und ausbaubaren Maßnahmen gegen die sich abzeichnende Lücke bei der deutschen Bedarfsdeckung durch inländische Stromproduktion und besser an regionale Bedarfe der unteren Netzebenen und Gemeinden anzupassen. Vorbehalte gegen diese Technik existieren eher auf ideologischer Ebene.
Die Prozesse sind dauerhaft auf die Verbrennung fossiler Treibstoffe ausgelegt und können im Regelfall nicht auf Wasserstoff umgerüstet werden. Ein Zubau von KWK-Anlagen würde also den deutschen Strommix aus grüner Sicht nur sauberer bezüglich des CO₂-Ausstoßes machen, wenn die KWK Kohlekraftwerke verdrängen würde. Angesichts der durch die Bundesregierung produzierten Engpässe bei Kapazitäten wie Netzausgleich ist dies nicht zu erwarten.
Das Ergebnis dieser Gemengelage dürfte wieder ein politischer Kompromiß sein, der kurzfristig nicht nützen und dessen Schaden erst die kommende Regierung treffen wird. Als wahrscheinlichstes Modell erwartet die Branche ein öffentlichkeitswirksames Auslaufen einer geringen Zusatzabgabe auf den Strompreis in Form des „Opferns“ der KWK-Umlage. Allerdings könnten die Anlagen weiter gefördert werden, wenn spätestens 2026, also zum Auslaufen der bestehenden Förderung, eine neue Umlage zur Finanzierung der Kraftwerksreserve eingeführt werden soll. Die bisherige KWK-Förderung und der neue Aufschlag auf den Strompreis würden dann unter neuem, klimabetonendem Namen zusammengefaßt.
Studie zur Versorgungssicherheit im Strommarkt: bkwk.de/aktuelles/studie-zu-versorgungssicherheit-im-strommarkt-favorisiert-absicherungspflicht-gegenueber-anderer-kapazitaetsmechanismen