Herr Elsässer, ist das das Ende von „Compact“?
Jürgen Elsässer: Compact wird noch Schlagzeilen machen, wenn Frau Faeser längst vergessen ist! Was wir in unserem Motto als „Mut zur Wahrheit“ bezeichnen, das läßt sich nicht verbieten: Sie können uns die Arbeitsmittel rauben, sie können uns die Konten sperren – aber sie können uns nicht unsere Ideen nehmen und die Kraft, mit der wir an sie glauben. Unser Schatz ist das, was wir im Kopf haben und im Herzen tragen, und wir werden nicht aufhören, damit dieses Regime zu bekämpfen!
Starke Worte, aber ist das nicht nur Pfeifen im Walde?
Elsässer: Ich bin überzeugt, daß dieser selbstherrliche Schlag gegen die Demokratie und die Freiheit der Presse Frau Faeser noch leid tun wird. Am Ende wird sie sich damit das eigene politische Grab geschaufelt haben und zum Sturz des Regimes beitragen.
„Regime“ – diese radikale Rhetorik ist eines der Argumente, mit denen die Ministerin das Verbot begründet.
Elsässer: Genau wie die Mainstream-Presse erweckt Frau Faeser den Eindruck, wir wollten das „System“ stürzen. Kostprobe aus ihrer achtzigseitigen Verbotsbegründung: „Der Sturz des politischen Systems wird offensiv als zentrale Zielvorstellung vertreten. So Elsässer exemplarisch offiziell auf einer Compact-Spendengala 2023: ‘Wir wollen das Regime stürzen.’“
Moment, „Regime“ und „System“ sind nicht dasselbe.
Elsässer: Eben, das ist ein bedeutender Unterschied! Bei „System“ könnte man mißverstehen, daß wir die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpfen und sie durch ein autoritäres System ersetzen wollen. Das aber ist mit Sicherheit falsch! Aber genau deshalb münzt die Verbotsbegründung „Regime“ auch einfach zu „System“ um. Tatsächlich steht Compact voll und ganz hinter unserer demokratischen Ordnung und dem Grundgesetz. Und es sind wir, die diese gegen die wahren Verfassungs- und Demokratiefeinde verteidigen, die heute nämlich in der Regierung sitzen und deren Regime wir stürzen werden.
Sie wollen eine demokratisch gewählte Regierung stürzen?
Elsässer: Wir wollen sie demokratisch stürzen, wie 1989 bei der Friedlichen Revolution in der DDR und den anschließenden freien Wahlen. Zuerst wird das Regime durch friedliche Massendemonstrationen verunsichert und zerbricht, muß dann freien Wahlen zustimmen, die in einer Art Runder Tisch organisiert werden. Und diese freien Wahlen führen dann zu einer neuen Regierung, die den echten Volkswillen repräsentiert.
Regime hin oder her, freie Wahlen haben wir doch. Was soll also Ihre „freie Wahlen“ von unseren heute unterscheiden?
Elsässer: Wir haben heute keine freien Wahlen. Die Altparteien verhindern die freie Artikulation der AfD, die Medien sind gleichgeschaltet wie in der DDR, dazu der Straßenterror der vom Staat finanzierten Antifa. Freie Wahlen bedeutet Gleichberechtigung für alle Parteien in der öffentlichen Darstellung. Das war der Unterschied zwischen den freien Wahlen in der DDR im März 1990 und den vorherigen unfreien Wahlen im Mai 1989.
Wenn wirklich alles rechtsstaatlich ablaufen soll, warum dann ständig diese zweideutige Sprache, die zwar in der Tat demokratische, aber ebenso revolutionär-gewaltsame Prozesse beschreiben kann?
Elsässer: Unsere Ausdrucksweise ist nicht zweideutig, sondern im Gegenteil sehr präzise: Denn die Ampel ist nicht nur eine Regierung, sondern auch Teil eines Regimes. Das sehen Sie daran, daß mittlerweile, ganz gleich wie die Wahlen ausgehen, immer die gleiche Politik gemacht wird und teilweise gar die gleichen Parteien und Politiker an der Macht sind. Weil nämlich das demokratische System der Regierungswechsel längst von antidemokratischen Machtstrukturen überwuchert ist.
„‘Regime’ aus Blockparteien, Medien und Vorfeldorganisationen“
Was meinen Sie? Es steht dem Volk frei, bei der nächsten Bundestagswahl die AfD, das BSW oder auch zum Beispiel die Tierschutzpartei an die Macht zu wählen.
Elsässer: Theoretisch ja, tatsächlich aber haben, ähnlich wie in der DDR, die BRD-Blockparteien ein Gespinst aus Vorfeldorganisationen und GEZ-Medien geschaffen, das – verflochten mit den privaten Medien und gesellschaftlichen Organisationen, deren Personal sich aus dem gleichen soziokulturellen Milieu rekrutiert – zu einer Art politischem Betonblock ausgehärtet ist. Und dieser ist es, was ich mit „Regime“ meine. Deshalb reicht es eben nicht, nur alle vier Jahre die Regierung neu zu wählen, sondern es müssen auch diese Strukturen aufgelöst werden. Denn nur dann kann sich wieder das freie Spiel der Demokratie entwickeln, in dem der Wählerwille auch einen wahren Politikwechsel zu bringen vermag. Und nur dann kann auch wieder echte Meinungspluralität entstehen, statt daß, wie jetzt, in den zentralen gesellschaftlichen Fragen die relevanten Medien alle mehr oder weniger die gleiche Richtung vertreten. Und wenn diesen deshalb irgendwann die Leser davonlaufen, werden sie mit Staatsgeldern gepäppelt.
In den Siebzigern und Achtzigern waren Sie organisierter Kommunist. In den Neunzigern wurden Sie zu einem der bekanntesten linksradikalen Journalisten Deutschlands, der etwa offen forderte, dem angeblich rechten Historiker Ernst Nolte „aufs Maul“ zu hauen oder „Baseballschläger“ gegen Antisemiten einzusetzen. Haben Sie wirklich aufgehört, den Staat stürzen und Gewalt einsetzen zu wollen, nur weil Sie im Laufe der 2000er Jahre zur Rechten gefunden haben?
Elsässer: Ich bin ja nicht der erste Linke, der früher Schwachsinn geredet, inzwischen aber gereift sich besonnen hat. Diesen Wandel, ein Prozeß, der sich über zehn Jahre hinzog, habe ich 2022 in meiner Autobiographie „Ich bin Deutscher. Wie ein Linker zum Patrioten wurde“ beschrieben.
„Wenn ich ‘Bill Gates’ sage, meine ich ‘die Juden’ – das ist doch gaga!“
Was um so bemerkenswerter ist, da Sie als der Begründer der sogenannten „Antideutschen“ gelten, einer besonders rabiaten antinationalen Strömung innerhalb der deutschen Linken, der selbst die übliche antinationale Linke noch zu „national“ ist.
Elsässer: Eine wichtige Rolle für mein Umdenken spielte die Erkenntnis, wie sehr wir uns als antinationale Linke vom Volk entfernt hatten, für welches einzutreten doch Sinn und Zweck der Linken ist. Deshalb muß sich die Linke heute mit dem Großkapital verbünden, um ihre von der Mehrheit des Volkes nämlich meist abgelehnte Politik durchzusetzen, wofür sie sich dann im Gegenzug zur Lobby dieser Kräfte macht. Zum Beispiel Bill Gates: früher wäre er das klassische Ziel linker Kritik gewesen, heute ist die Linke sein eifrigster Unterstützer.
Genau solche antisemitischen Reden wirft Frau Faesers Verbotsbegründung Ihnen ebenfalls vor.
Elsässer: Das ist doch völlig gaga! Weder ist Gates Jude, noch hat meine obige Aussage auch nur das Geringste mit Juden zu tun. Dennoch aber, so in der Tat die Logik von Frau Faesers Verbotsbegründung, kritisiere ich „Bill Gates stellvertretend für die Juden“.
Was hat es damit auf sich?
Elsässer: Es handelt sich angeblich um sogenannten „politischen Antisemitismus“: Weil wirkliche Antisemiten glauben, daß die Juden die Weltelite kontrollierten, reicht es bereits, daß ich von „globalistischer Elite“ beziehungsweise von Leuten wie Gates oder Klaus Schwab spreche, um meine Person als antisemitisch zur verleumden. Auch wenn ich gar nicht behaupte, daß „die Juden“ irgend etwas mit diesen Leuten zu tun haben – wundern Sie sich nicht, wenn Ihnen das wirr vorkommt!
Auch wenn sich in der Tat die Verbotsbegründung in großen Teilen wie eine Verschwörungstheorie liest, wollen Sie mit „Compact“ neben normalen Bürgern auch Extremisten ansprechen? Zumindest scheinen Sie keine Berührungsängste diesbezüglich zu haben.
Elsässer: Wir verkaufen, was Kunden nachfragen. Wir sind Geschäftsleute. Was nicht auf dem Index steht, wird angeboten.
Nicht nur in dieser Hinsicht erinnert „Compact“ an Ihre linke politische Herkunft, wo Abgrenzung gegenüber Extremisten bekanntlich unüblich ist. Auch Ihr Selbstverständnis als Journalist und zugleich politischer Aktivist und Organisator – so ein weiterer Vorwurf der Verbotsbegründung – wirkt ehrlich gesagt klassisch links.
Elsässer: Durchaus, nehmen Sie die linken Blätter, für die ich früher geschrieben habe, Konkret oder die Junge Welt, die haben alle ein entsprechendes aktivistisches Verständnis ihrer journalistischen Arbeit – nur werden sie dafür nicht kriminalisiert. Allerdings muß ich klarstellen: Wir sprechen von meiner Person, nicht vom Medium Compact. Es entspricht meinem persönlichen Naturell als Journalist, für das wofür ich schreibe auch im politischen Leben einzustehen. Wovon wir also wie gesagt nicht sprechen, ist Compact, denn alles was unsere Redaktion organisiert, Konferenzen oder Pressefeste, sind klassische Mittel, um für das Magazin zu werben. Was Compact tut, ist also nicht, wie die Verbotsbegründung behauptet, politischen Widerstand zu organisieren, sondern politischen Widerstand publizistisch zu begleiten. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Im März 2020 habe ich im Editorial den Begriff „Corona-Diktatur“ erfunden. Wie ein Lauffeuer hat sich das von unserer Leserschaft aus in der Corona-kritischen Szene popularisiert, wurde später gar zum „Unwort des Jahres“. Publizistik kann also etwa Begriffe prägen, die die Massen ergreifen und so das Volk aufbringen.
Deshalb also der zuspitzende, propagandistische Stil, den „Compact“ pflegt und der Ihnen den Vorwurf des „Populismus“ einbringt?
Elsässer: Wir sind stolz, Populisten zu sein, und zwar weil Demokraten Populisten sein müssen! Denn nur wenn man das Volk so informiert, daß es die Dinge versteht, kann es sich auch eine Meinung bilden. Dagegen ist doch das Schlimme am herrschenden Diskurs, daß so verschwurbelt argumentiert wird, daß keiner mehr weiß, um was es eigentlich geht. Was bitte ist denn heute „Rassismus“? Was „Haß und Hetze“? Und was „Delegitimierung des Staates“? Deshalb bin ich stolz darauf, daß wir bei Compact klar und deutlich schreiben – etwa von „Impfverbrechern“ oder davon, daß „Habeck in den Knast“ gehört.
Woran liegt es, daß Ihre Art zu reden und zu schreiben, solange Sie links waren, über Jahrzehnte nicht zu Ihrer öffentlichen Ausgrenzung geführt hat – wohl aber innerhalb kürzester Zeit, seit Sie es von rechts tun?
Elsässer: Das ist in der Tat sehr spannend, denn es zeigt deutlich die Verschiebung der politisch-ideologischen Vektoren. Früher, als die Linke noch kapitalismuskritisch und antiautoritär war, waren herrschaftskritische Diskurse bei ihr zu Hause. Doch inzwischen ist sie zum Vorkämpfer ihrer einstigen Gegner geworden, des Finanzkapitalismus, des Amerikanismus und der neuen Weltordnung. Ihre Herrschafts- und Kapitalismuskritik dagegen ist zur Rechten ausgewandert. Und damit komme ich zur Antwort auf Ihre Frage: Diese ist dort für die Herrschenden viel gefährlicher, als sie es auf der Linken je war! Denn auf der Rechten verbindet sie sich mit einer immer breiter werdenden Volksströmung. Was, solange sie auf der Linken beheimatet war, nicht drohte, da die aus gutem Grund im Volk schon lange nicht mehr sonderlich populär war.
Auch wenn Sie sich zu Beginn dieses Gesprächs siegessicher gezeigt haben und Ihnen auch etliche Experten einen juristischen Sieg voraussagen: Dieser Kampf wird enorme Mengen an Geld, Zeit, Kraft verschlingen und Jahre dauern. Am Ende könnten Sie juristisch erfolgreich, zugleich aber ökonomisch ruiniert sein.
Elsässer: Genau das ist nach meiner Meinung auch der Plan dahinter! Faeser weiß genau, daß sie Recht und Verfassung bricht, aber es ist ihr egal, denn sie hat quasi unbegrenzte Mittel aus dem Steuersäckel zur Verfügung. Es geht also nicht um Recht, sondern um den gezielten Mißbrauch des Rechtsstaats, um oppositionelle Kräfte zu binden und aufzureiben. Und trotzdem wird sie damit nicht durchkommen! Ja, im Grunde ist sie jetzt schon gescheitert: Compact und Elsässer sind jetzt schon hundertmal populärer als vor dem Verbot. Deshalb habe ich auch am Tag der Razzia vor den Fotografen die Trump-Faust geballt, die der nach den Schüssen auf ihn in Pennsylvania so entschlossen emporgereckt und dabei gerufen hat: „Fight!“
Jürgen Elsässer galt zeitweilig als einer der profiliertesten Köpfe der linksextremen Publizistik. Geboren 1957 im badischen Pforzheim, wurde der Deutsch- und Geschichtslehrer als Student Mitglied, später Funktionär des Kommunistischen Bunds. Ab 1994 schrieb er für die Ex-FDJ-Tageszeitung Junge Welt, bis es 1997 zur Spaltung der Redaktion kam, eine Gruppe um Elsässer das Blatt verließ und die Wochenzeitung Jungle World gründete, die er bis 2000 herausgab. Sie gilt gemeinsam mit der Zeitschrift Bahamas, an der Elsässer ebenfalls beteiligt war, als Hauptorgan der antideutschen Bewegung. Elsässer schrieb zudem für den Freitag, Konkret und das Neue Deutschland, wo er bis 2009 Redakteur war, bis er die Querfront-Bewegung ins Leben rief, als deren Stimme sich das vom ihm 2010 gegründete Compact – Magazin für Souveränität versteht.