Der 16. Juli 2024 wird in die Annalen der vom Grundgesetz garantierten Presse- und Meinungsfreiheit der Bundesrepublik Deutschland eingehen. Denn an diesem Tag ließ Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) das rechte Polit-Magazin Compact verbieten. Faeser hat nicht nur das Magazin, sondern auch die Compact GmbH und die dazugehörige Videoproduktionsfirma Conspect Film GmbH verboten. Damit könnte sie das verfassungsrechtlich garantierte Zensurverbot unterlaufen. Um den Schlag gegen Compact überhaupt ausführen zu können, nutzte sie das Vereinsrecht. Der erste frenetische Beifall, medien- und parteiübergreifend mit Ausnahme der AfD, ist einer Katerstimmung gewichen. Denn eines scheint klar: Solch ein Verbot, sollte es Bestand haben, könnte jeden treffen.
Freimütig räumte Faesers Ministerium in der offiziellen Begründung zum Verbot des „rechtsextremistischen Compact-Magazins“ ein, die Behörde habe auf „eine Anhörung des betroffenen Vereins“, die nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz „grundsätzlich vor dem Erlaß eines belastenden Verwaltungsaktes erforderlich ist“, verzichtet. Faeser bezog sich dabei auf eine Ausnahmeregelung, wonach „eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint“. In ihrer Pressemitteilung zitierte sie allerdings nur das „öffentliche Interesse“, nicht aber die „Gefahr im Verzug“.
In einem Video auf X sagte die Innenministerin, daß Compact eine klare Agenda verfolge: „Rechtsextremisten zu vernetzen und antisemitische Verschwörungsideologien zu verbreiten.“ Das Magazin hetze und agitiere auf unsägliche Weise gegen Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie. „Deswegen ist unser Verbot ein weiterer harter Schlag gegen den Rechtsextremismus.“
„Jede weitere Tätigkeit ist untersagt und strafbar“
Daß das Magazin tatsächlich zu radikaler Sprache neigt, machen Zitate deutlich, die das BMI in seiner Begründung anführt. So schrieb Compact: „In ihrem perversen suizidalen Drang, uns auf ihrer Schußfahrt in den Abgrund mitzunehmen, nutzen sie das durchschaubare Vehikel, das Land durch Masseneinwanderung zunächst bis zur Unkenntlichkeit zu entstellen, den Krieg der Ethnien auf deutschem Boden zu provozieren und uns damit dem Sturz in den unweigerlichen Abgrund zu überantworten.“ Faeser wertet die Sätze als Beleg dafür, daß das Magazin „bürgerkriegsähnliche Szenarien heraufbeschwört“. Die Fragen lauten allerdings: Wäre das strafbar und rechtfertigte das sogar ein Verbot? Oder fällt es nicht vielmehr unter die Meinungsfreiheit?
Die 79seitige Verbotsbegründung des Bundesinnenministeriums (BMI), die der JUNGEN FREIHEIT vorliegt (siehe Seite 4), wird in den der Verbotsverfügung folgenden Tagen von einer Vielzahl Juristen und Medien kritisch diskutiert. Vieles, was die Faeser-Behörde aufzählt, ist bekannt. Über mehrere Seiten werden einzelne Titelseiten des 2010 gegründeten Blatts gezeigt. Artikelauszüge sind zu lesen. Die Gesellschafterverhältnisse sind dargestellt. Alles bekannt, nichts geheim. Aber da das Magazin seit Jahren bereits als gesichert rechtsextrem gilt, konnte der Verfassungsschutz auch mit geheimdienstlichen Methoden gegen die Journalisten vorgehen. So geht einiges, was das Papier aufführt, auf abgehörte Gespräche zurück. „Ich hab’ schon überlegt, ich hab’ ja hier die Knarre, ich müßte dem Habeck mal ein Auge ausschießen“, wird ein Gespräch zwischen Elsässer und einem Mann zitiert. Das Ministerium nimmt das Zitat als Beleg für „das Schüren der beständigen Ablehnung der verfassungsmäßigen Ordnung“. Ob solche Beispiele für ein Totalverbot ausreichen?
Das Fachportal Legal Tribune Online hegt Zweifel, ob überhaupt ein Medienverbot über das Vereinsrecht zulässig ist. „Denn im Gegensatz zum Vereinsrecht liegt die Gesetzgebungskompetenz für das Presserecht nicht beim Bund, sondern bei den Ländern.“ Das Portal zitiert David Werdermann. Er ist Jurist bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und der Auffassung, daß es sich bei dem Verbot in der Sache um eine Presseregulierung handele, welche in die Gesetzgebungskompetenz der Länder falle.
Der „Verfassungsblog“, eine Plattform zu rechtspolitischen Themen, macht darauf aufmerksam, daß das Verbot von Medien oder Presseerzeugnissen über das Vereinsrecht „keine ganz neue Idee“ sei: So verbot 2005 der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) auf diese Weise die islamistische türkischsprachige Zeitung Anadolu´da Vakit wegen systematischer Volksverhetzung. 2016 tat es der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) mit der rechtsextremistischen Internetplattform „Altermedia Deutschland“, und 2017 folgte das Verbot des gewaltorientierten linksextremistischen Internetportals „linksunten.indymedia“. Der Blog: „Das Bundesverwaltungsgericht ließ die gewählte Konstruktion ziemlich unaufgeregt durchgehen, ohne dem Argument der klagenden Vereinsmitglieder, die eigentliche Zielrichtung sei die Abschaltung der Internetplattform gewesen, Bedeutung beizumessen. Die Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Medienrecht komme nicht zum Tragen, weil die Publikationen nur als Folge des vereinsrechtlichen Organisationsverbotes verboten würden.“ Das Bundesverfassungsgericht nahm damals die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil wegen formaler Mängel gar nicht erst an.
Unabhängig von den Rechtsfragen kann Elsässer zwar noch über seine Privatkonten verfügen, aber die Geschäftskonten sind eingefroren. Er spricht von einer „hohen sechsstelligen Summe“. Seine rund 25 Mitarbeiter sind Knall auf Fall arbeitslos geworden. Der JF liegen Schreiben des Bundesverwaltungsamtes an die Angestellten vor. Die Behörde weist darauf hin, daß sie vom Innenministerium zur Vermögensverwalterin des Vereins bestellt wurde. Und sie warnt die Compact-Angestellten, „daß jede weitere Tätigkeit für den verbotenen Verein ab dem 16.07.2024 untersagt und strafbar ist“. Dies gelte sowohl für direkte „Vereinsmitglieder“ als auch für Dritte, die durch ihre Tätigkeit die verfassungswidrigen Bestrebungen des Vereins unterstützen und fördern. Was darunter zu verstehen ist, erklärt das Bundesamt im folgenden Satz: „Ihr Arbeitsverhältnis mit dem Verein ist damit faktisch beendet“. Wohl um der Fürsorgepflicht gegenüber den jetzt Arbeitslosen nachzukommen, empfiehlt das Amt, „sich umgehend (innerhalb von 3 Tagen ab heutiger Kenntnisnahme) bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden“. Im übrigen haben die Mitarbeiter ihre Dienst-Handys beim Landeskriminalamt abzugeben.
Panne: Elsässers Anwälte lüften Mitarbeiter-Pseudonyme
Kritik und Zweifel gibt es allerdings auch an den Razzien. Noch während der laufenden Maßnahmen am Dientag vergangener Woche geht ein brisantes Foto durch die Medien. Es zeigt Elsässer im Bademantel im Rahmen seiner Haustür stehend. Woher wußte der Journalist von der anstehenden Durchsuchung? Schon bei den Festnahmen der Reichsbürger um Prinz Reuß waren Reporter und Fotografen vor Ort gewesen. Ein klarer Verstoß gegen die Privatsphäre der Betroffenen, urteilen Kritiker. Und nun wieder bei den Durchsuchungsmaßnahmen bei Compact. „Das scheint offensichtlich ein Markenzeichen von Frau Faeser bei solchen Aktionen im rechtsextremistischen Bereich zu sein“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm, der FAZ. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums meinte dazu am Mittwoch vergangener Woche vor der Hauptstadtpresse: „Uns ärgert das, wenn vorher Informationen durchdringen. Das ist nicht in Ordnung, dem wird auch nachgegangen.“
Durch die Razzien ist das Bundesinnenministerium an für den Verfassungsschutz interessante Daten des Verlages gekommen: Namen, Anschriften, Telefonnummern und Kontodaten der Abonnenten von Compact. Auch Informanten des Magazins dürften nun auffliegen.
Die JF schickte zwei Fragenkataloge an Faesers Ressort. Wir wollten unter anderem wissen: Was wird aus der bereits gedruckten Compact-August-Ausgabe? Wird die eingelagert oder vernichtet? Ist es strafbar, alte Compact-Hefte zu besitzen? Ist es strafbar, T-Shirts mit dem Logo des Magazins zu tragen? Mit welchen Strafen muß der Betreffende rechnen? Was passiert mit den Adressen der Abonnenten? Wie stellt das BMI sicher, daß Adressen, Konten und alle privaten Daten von Abonnenten nicht an Linksextremisten gelangen? Gibt es Ermittlungen gegen die Fotografen, die pünktlich zur Hausdurchsuchung vor Elsässers Haus in Falkensee standen und die Bademantel-Bilder schossen? Ist es strafbar, solche Termine durchzustechen? Gibt es ein Interesse des Ministeriums, solche Durchstechereien zu unterbinden? Wird der Informantenschutz verletzt, wenn Rechner und Handys ausgelesen werden?
Die Antwort des BMI gegenüber der jungen freiheit fiel nichtssagend aus: „Vereinsverbote des BMI richten sich nach den Vorschriften des Vereinsgesetzes und unterliegen der richterlichen Kontrolle durch das Bundesverwaltungsgericht. Zu Ihren Fragen verweise ich auf die einschlägigen gesetzlichen Grundlagen.“
Wenigstens beantwortete das Ministerium in der Regierungspressekonferenz die Fragen zur Strafbarkeit des Besitzes und Zeigens von Merchandising-Produkten. Diese dürften „für die Dauer der Vollziehbarkeit des Verbots nicht mehr öffentlich, in einer Versammlung oder in einem Inhalt, der verbreitet wird oder zur Verbreitung bestimmt ist, verwendet werden.“ Zuwiderhandlungen gegen das Verbot würden gemäß Paragraph 86a Strafgesetzbuchs geahndet. Dort ist von einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe die Rede. Der „reine Besitz von Compact-Magazinen bzw. -Merchandise“ stelle für sich genommen keine Straftat dar. Außerdem sei keine strafbare Handlung gegeben, wenn das Zeigen der Hefte der „staatsbürgerlichen Aufklärung oder der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen dient“.
Herausgeber Elsässer (JF 48/14) hat ein Anwaltsteam beauftragt, gegen das Verbot vorzugehen. Frühestens in der kommenden Woche wolle man einen Eilantrag beim Bundesverwaltungsgericht stellen, hieß es auf Anfrage der jungen freiheit. Allerdings haben die Juristen gleich zu Beginn ein folgenreiches Eigentor geschossen: Sie veröffentlichten die Verbotsbegründung ungeschwärzt. Heißt: Alle darin genannten Mitarbeiter – auch diejenigen, die unter Pseudonymen arbeiteten – sind erkennbar. Übrigens griff diese Information die Linksextremisten-Plattform „Indymedia“ dankbar auf. Sie sicherte und verlinkte die ungeschwärzten Seiten.