Es ist ein Wanderzirkus, der da zwischen Brüssel und Straßburg nicht nur die Speditionen auf Hochtouren hält, um wichtige Kisten mit Akten hin- und her zu schicken. Um an den zwölf terminierten viertägigen Plenartagungen in Straßburg teilzunehmen, machen sich die 720 EU-Abgeordneten (MEP) mit ihrem Mitarbeitertroß in Brüssel auf, um gen Süden nach Straßburg zu reisen. Nicht weil sie viele MEPs hübscher finden, sondern weil sich seit „Anfang der 1990er Jahre mehr oder weniger die aktuelle Regelung etabliert“ habe, daß die Ausschüsse und Fraktionen in Brüssel und die Plenarsitzungen in Straßburg stattfinden, schreiben die EU-Offiziellen.
Ja, Straßburg hat seinen Münster, ein Gutenberg-Denkmal und eine bildschöne Altstadt. Die Tram-Verbindungen sind vorbildlich, und der Autoverkehr spielt nur die letzte Geige. Also auf nach Straßburg.
Auch der Europarat und das EU-Parlament liegen in einer grünen Gegend im Norden der Stadt. Zwar unterscheiden sich die beiden Parlamente im Äußeren, doch innen gleichen sie sich wie ein Ei dem anderen. Es ist ein Wirrwarr an Gebäudeteilen, Gängen, Sitzungsräumen und Cafés. Einem Ameisenhaufen gleich, in dem sich viele als besondere Ameisen fühlen. Schon die Kleidung vieler Abgeordneter hebt sich vom Business-Stil ab. Man verdient gut.
„Höchste Zeit, den sinnlosen Wanderzirkus des EU-Parlaments zwischen Brüssel und Straßburg zu beenden.“
In Straßburg bekommt man in der Flower-, Swan- oder River-Bar kaum einen Platz. Die Schlangen an den Theken dort, wo man ein Baguette, einen Kaffee, Wasser, Bier oder Champagner bestellen kann, sind lang. Hier einen Politiker anzusprechen ist schwer. Viele telefonieren oder stecken ihre Köpfe zusammen, um die aktuellsten Probleme zu besprechen. Das ist hier wie eine „Schlangengrube“, wird mir öfter erzählt. Keiner traut dem anderen über den Weg.
Über den Weg laufen einem dann aber viele Politiker, die man kennt. Auch wenn die meisten MEPs ziemlich gestreßt durch die Gänge hetzen, haben sie ein offenes Ohr, wenn man sie anspricht. Auch bei Fragen nach einem Ort wird mir sofort und freundlich weitergeholfen. Interessant wird es, wenn der Befragte dann im schönsten Elsässisch antwortet. So zwei Tage braucht man schon, um sich zurechtzufinden – sowohl in Straßburg und in Brüssel.
„Es ist höchste Zeit, den sinnlosen Wanderzirkus des Europaparlaments zwischen Brüssel und Straßburg zu beenden“, fordert der EU-Abgeordnete Harald Vilimsky (FPÖ) immer wieder und verweist auf Umzugskosten von 100 und 200 Millionen Euro pro Jahr. Doch wie sollte das gehen?
Für jede Änderung des gegenwärtigen Systems sei eine Änderung des EU-Vertrags erforderlich, so das Parlament. Diese müßte dann von den Regierungen aller Mitgliedsstaaten einstimmig vereinbart und von allen nationalen Parlamenten ratifiziert werden.