© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 31-32/24 / 26. Juli 2024

Links schwenkt – marsch!
EU: Statt auf die rechtskonservative EKR-Fraktion zuzugehen hofiert Ursula von der Leyen linke und Grüne für ihre Wiederwahl
Curd-Torsten Weick

Basta. Kurz nach der Wiederwahl von Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin ließ Carlo Fidanza, Leiter der Delegation von Fratelli d’Italia (FdI) im EU-Parlament, die Bombe platzen. „Die in den vergangenen Tagen getroffenen Entscheidungen, das politische Programm und die Suche nach einem Konsens zwischen der Linken und den Grünen haben unsere Unterstützung für die Wiederwahl von Ursula von der Leyen unmöglich gemacht“, erklärte der 47jährige und fuhr fort: „Wir haben dies getan, obwohl wir in den vergangenen Monaten den Geist der Zusammenarbeit geschätzt haben, der die Beziehungen zwischen von der Leyen und Italiens Präsidentin Giorgia Meloni in bestimmten Fragen geprägt hat. Wir denken dabei insbesondere an die Umsetzung des italienischen Aufbau- und Resilienzplans und auch an den Umschwung, der dank der Impulse der italienischen Regierung in Migrationsfragen eingetreten ist.“ 

„Die antidemokratische Brandmauer hat groteske Ausmaße“

Dieser Schritt kam nicht von ungefähr. Hatte sich doch von der Leyen nach ihrer Wiederwahl (401 Ja-Stimmen bei 284 Nein-Stimmen) im Plenarsaal des EU-Parlaments von Martin Schirdewan  und Manon Aubry, beide Co-Vorsitzende der Fraktion Die Linke, herzlich beglückwünschen lassen. 

Nicht nur in der rechten EKR-Fraktion brodelt es. „Die Fraktion der Patrioten für Europa vertritt mehr als 80 Millionen Europäer, deren Rechte von der finsteren antinationalen, globalistischen, linken politischen Allianz unter der Führung der Europäischen Volkspartei und Ursula von der Leyen systematisch mit Füßen getreten und verweigert werden“, betonte Hermann Tertsch von der spanischen Vox gegenüber der JUNGEN FREIHEIT und legt die Finger auf die Wunde: „Die antidemokratische Brandmauer von Gruppen und Parteien, die mit von der Leyens selbstmörderischer Politik des repressiven Sozialismus, des generalisierten Interventionismus, des Regulierungsfanatismus, der Invasion von Einwanderern und des Einheitsdenkens nicht einverstanden sind, nimmt groteske Ausmaße an.“

Diplomatischer zeigte sich Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, der mit seiner Fidesz-Partei bei der EU-Fraktion Patrioten für Europa ist. Von der Leyens Leistung in den vergangenen fünf Jahren sei sehr schwach gewesen. Europa habe in der Frage des grünen Übergangs versagt, und wenn es so weitergehe, werde die europäische Industrie zerstört, sagte der Premier. Von der Leyen sei „nicht unsere politische Gegnerin, sondern unsere Mitarbeiterin“, ihre Aufgabe als EU-Kommissionspräsidentin sei es, die von den Ministerpräsidenten der Mitgliedsstaaten festgelegten Richtlinien auszuführen, sagte er. 

„Ursula von der Leyen wird aus der EU-Kasse bezahlt, sie ist also abhängig; sie muß tun, was die Ministerpräsidenten sagen.“ Das wahre Gewicht der europäischen Politik liege beim Europäischen Rat, erklärte Orbán und verwies optimistisch darauf, daß „die nächste Stufe des Wandels“ in der EU bei den kommenden nationalen Wahlen erwartet werde. „In Österreich finden noch in diesem Jahr Wahlen statt, und in Europa ‘wackeln viele Regierungen’, so daß vorgezogene Neuwahlen anstehen, sagte er im öffentlichen Rundfunk. „Ich hoffe, daß sich die Zusammensetzung der Ministerpräsidenten ändern wird und wir in der Lage sein werden, bessere Anweisungen zu geben und [EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen] besser zur Verantwortung zu ziehen.“ 

Von der Leyen hatte bei ihrer Kandidatur für eine zweite Amtszeit 2024 bis 2029 vergangene Woche in Straßburg die Richtung ihrer Politik unterstrichen. Es gebe den klaren Versuch, unsere Gesellschaften zu spalten und zu polarisieren. Dies werde sie niemals zulassen, erklärte sie. „Und ich werde niemals akzeptieren, daß Demagogen und Extremisten unsere Art zu leben in Europa zerstören. Und ich stehe heute hier und bin bereit, diesen Kampf gemeinsam mit allen demokratischen Kräften in diesem Haus zu führen.“ „Ich habe den demokratischen Kräften in diesem Parlament aufmerksam zugehört. Und ich bin überzeugt, daß diese Leitlinien widerspiegeln, wie viele gemeinsame Anliegen wir haben“, fügte von der Leyen hinzu. 

„Warum wurde Frontex nicht schon längst aufgestockt?“

Dabei gehe es darum, an den Zielen des Europäischen Green Deals festzuhalten und den neuen Clean Industrial Deal umzusetzen. „Wir haben massiv in heimische, preiswerte erneuerbare Energien investiert. Und dadurch konnten wir uns von den schmutzigen russischen fossilen Brennstoffen lösen. Gemeinsam werden wir also dafür sorgen, daß die Zeit der Abhängigkeit von russischen fossilen Brennstoffen vorbei ist. Ein für allemal.“

Hinsichtlich des Ukraine-Krieges bestärkte die 65jährige die Unverbrüchlichkeit der westlichen Hilfe für Kiew. Europa werde der Ukraine zur Seite stehen, solange es nötig sei. Wir müssen der Ukraine alles geben, was sie braucht, um standzuhalten und zu siegen“, unterstrich sie und kritisierte Orbán für dessen Friedensmission nach Moskau: „Rußland baut darauf, daß Europa und der Westen weich werden. Und einige in Europa spielen dabei mit.“ Nur der Aufbau einer echten Europäischen Verteidigungsunion könne Europa schützen. 

Parallel dazu betonte die ehemalige Bundesministerin für Verteidigung, daß auch mehr getan werden müsse, um die EU-Außengrenzen zu sichern: „Insbesondere unsere Ostgrenze ist zur Zielscheibe für hybride Angriffe und Provokationen geworden. Rußland lockt Migranten aus dem Jemen nach Norden und drängt sie gezielt gegen die finnische Grenze. Wir sollten uns immer vor Augen halten: Die Grenze eines Mitgliedstaates ist eine europäische Grenze. Und wir werden alles tun, was wir können, um sie zu festigen. Sicherere Grenzen werden uns auch dabei helfen, die Migration strukturierter und gerechter zu steuern. Der Migrations- und Asylpakt ist ein großer Schritt nach vorn. Das ist einer der Gründe, warum wir Frontex stärken müssen.“ 

 Die angekündigte Aufstockung von Frontex hätte von der Leyen längst in Angriff nehmen können, aber sie werde es wohl wieder nicht tun, kritisierte  die FPÖ-EU-Abgeordnete Petra Steger. Ohnehin setze sie lieber auf Abkommen mit unzuverlässigen Staaten und auf den schon jetzt gescheiterten Asyl- und Migrationspakt, der nichts anderes vorsehe als eine Verteilung illegaler Einwanderer.

Foto: Martin Schirdewan und Manon Aubry, beide Co-Vorsitzende der EU-Fraktion Die Linke: Herzliche Glückwünsche für Ursula von der Leyen für ihre erneute Wahl als Kommissionspräsidentin 

Kommentar Seite 2