© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 31-32/24 / 26. Juli 2024

Der erste Papst, der die Biennale in Venedig besucht
Kunst für Ausgegrenzte

 Als erster Amtsinhaber hat Papst Franziskus Ende April die 60. Ausgabe der noch bis November in Venedig laufenden Biennale besucht. In erster Linie nicht, um der Kunst willen, sondern um ein gesellschaftspolitisches Zeichen zu setzen. Denn die Zentralausstellung unter dem Titel „Fremde überall“ konzentriert sich auf „Ausgegrenzte, Queere und Indigene“. Der vatikanische Beitrag dazu ist im wohl ungewöhnlichsten Pavillon angesiedelt, dem Frauengefängnis auf der Guidecca-Insel. Der Heilige Stuhl möchte dort die Begegnung zwischen Insassinnen, Künstlerinnen und Gästen fördern, um für die Belange der Ausgegrenzten zu werben. Statt die Schuld anderer anzuklagen oder auch über eigene Schuld zu verhandeln, werden Strafgefangene an Kunst herangeführt. Was dem Kunstverständnis des Papstes entspricht, wie er es für die Mission der Vatikanischen Museen festgehalten hat: Kunst sei nicht nur ein glaubwürdiger Zeuge für die Schönheit der Schöpfung, sondern auch ein Werkzeug der Evangelisierung. Das die überwiegend nicht-katholischen Künstler aber nicht nutzen, weil sie ihre Arbeiten nicht als Akte der Evangelisierung begreifen wollen. Schließlich gehe es nicht darum, den Wahrheitsanspruch der römisch-katholischen Religion künstlerisch zu formulieren oder ihr einen künstlerischen Wahrheitsanspruch entgegenzusetzen. Längst, so räumen die relativistisch gestimmten vatikanischen Herren des Pavillons ein, gebe es nicht mehr die einzige umfassende Wahrheit einerseits und die multiplen, letztlich unvereinbaren Wahrheiten andererseits: „Das Leben verläuft irgendwo dazwischen“ (Herder-Korrespondenz, 6/2024). (dg)  www.herder.de/hk/