Seine Missionen endeten in der Regel enttäuschend, so auch die vom März 1944 in Stockholm, wo er etwa mit dem schwedischen Außenminister zusammengetroffen war. Adam von Trott zu Solz gab sich wie stets überzeugt von seinem Tun: „Die eigene, eigentliche Aufgabe zu erkennen, befreit und gibt dem Leben Halt und klare Wahl in den mannigfach verwirrten Prinzipien und Werten, die die Horizonte des modernen Weltbürgers erfüllen.“ Von seiner Frau zur Vorsicht gemahnt, erklärte er, es gebe „einen Grad an Vorsicht, der das, weswegen man vorsichtig ist, zunichte macht“.
Schon vor Beginn des Zweiten Weltkriegs arbeitete Trott dem NS-Regime konsequent entgegen. Er verfügte über Reisemöglichkeiten und gute, weitreichende internationale Kontakte, insbesondere nach Großbritannien. Das Ausland sollte in Position gebracht werden. Zunächst, um den drohenden Krieg noch abzuwenden, vor allem dann aber, um Rückhalt für den Widerstand zu bekommen – in Form von Zusagen an eine künftige deutsche Regierung nach gelungenem Umsturz. Er selbst war als Staatssekretär im Auswärtigen Amt vorgesehen. Trotts Anliegen stießen auf taube Ohren. Obwohl er einflußreiche Fürsprecher hatte, erfuhr er nicht die erhoffte Reaktion. Teils verdächtigte man ihn, ein NS-Agent zu sein.
Mit dem Kriegsgegner zu einem annehmbaren Frieden gelangen
Im Januar 1941 hatte der britische Premierminister Winston Churchill „absolute silence“ gegenüber entsprechenden deutschen Friedensfühlern verordnet und damit auch das Ignorieren der Ansinnen Trotts. Die Festlegung auf die bedingungslose Kapitulation Deutschlands, die „Unconditional Surrender“-Formel, auf die sich Churchill und der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt im Januar 1943 geeinigt hatten, wirkte zusätzlich lähmend auf das Staatsstreichvorhaben, dessen Akteure sich damit im Falle eines erfolgreichen Sturzes der NS-Machthaber in der Heimat dem Vorwurf hätten aussetzen müssen, einen „Dolchstoß“ gegen das eigene Land geführt zu haben. Trott modifizierte seine Vorstellungen, die Forderungen wurden immer weiter zurückgefahren. Weniger Optimismus, eher Hoffnung war es, die Trott bis zum Ende, dem Attentat des 20. Juli 1944, für das von ihm mit ganzer Kraft unterstützte Vorhaben hegte, das NS-Regime von innen heraus zu überwinden und mit dem Kriegsgegner zu einem annehmbaren Frieden zu gelangen.
Geboren wurde Trott am 9. August 1909 in Potsdam. Sein Vater amtierte bis 1917 als preußischer Kultusminister. Im Anschluß an das juristische Studium und die Promotion in Göttingen über Hegels Staatsphilosophie erwarb Trott 1933 in Oxford einen weiteren Abschluß, ermöglicht durch ein zweijähriges Rhodes-Stipendium. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Verbindungen, über die er später versuchen sollte, Einfluß auf die britische Politik zu nehmen, etwa zum Labour-Politiker Stafford Cripps oder zu David Astor, dem nachmaligen Verleger des Observer. Trotts NS-Gegnerschaft ist von Anfang an belegbar. Zurück in Deutschland suchte er Kontakte zu Opposition und Widerstand verschiedener politischer Lager, vom sozialistischen Untergrund bis hin zu Ewald von Kleist-Schmenzin. Anfang 1937 brach er zu einer längeren Reise auf, die ihn über die USA nach China führte, wo er sich zu Studienzwecken für 14 Monate aufhielt. Seine im Juni 1940 aufgenommene Tätigkeit im Auswärtigen Amt stand im Dienst des Widerstands. Daß er durch seinen Beruf zwangsläufig auch im Sinne des NS-Staates wirken mußte, lastete schwer. Um unbehelligter für seine Sache agieren zu können, trat er der NSDAP bei – daß dies ausschließlich aus Tarngründen erfolgte, wurde später von keiner Seite in Frage gestellt.
Der Historiker Rainer A. Blasius betont, daß Trotts gegen das NS-Regime gerichtete Initiativen auf zwei Prämissen beruhten, die für ihn maßgeblich bleiben sollten. Trott selbst schrieb bereits 1930: „Die Selbstbehauptung des Staates auf dem Wege der Rechtsabwicklung, nicht des Krieges, ist heute anzustreben.“ Von 1936 stammt die Formulierung der Quintessenz der zweiten Prämisse: „Mir scheint, daß der Friede Europas und der Welt sich nur durch eine deutsche und englische Verständigung erhalten läßt.“
Vorstellung von einem Deutschland innerhalb eines föderalen Europas
Im Juni 1939 reiste Trott – zwar noch nicht im Auswärtigen Amt, aber von deutscher Seite beauftragt – nach Großbritannien, um Klarheit über die dortige Haltung gegenüber Deutschland, insbesondere nach dem Vorgehen gegen die Tschechoslowakei wenige Monate zuvor, zu gewinnen. Das Ganze mündete in einem Bericht an Hitler. Trott, der auch mit Premierminister Neville Chamberlain gesprochen hatte, formulierte den Bericht so, daß die wachsende Kriegsbereitschaft der Briten betont wurde. Zudem forderten diese die Selbständigkeit Böhmens und Mährens, seien aber bereit, über andere offene Fragen mit Deutschland zu verhandeln, etwa über Danzig. Dieser Vorschlag geht wohl auf Trott zurück. Sein Agieren war auf Friedenserhalt gerichtet – illusorisch wie auch andere deutsche, an der NS-Politik vorbeilaufende Initiativen dieser Monate mit dem selben Ziel.
Im Herbst 1939 konnte Trott einer Konferenz-Einladung nach New York folgen, an die sich ein längerer Aufenthalt anschließen sollte. Von hier aus wirkte er maßgeblich an zwei Memoranden mit, die die Briten zur Erklärung ihrer Kriegsziele und zu Garantien für ein Deutschland nach Hitler drängen sollten. Ob es sich bei der ausbleibenden Reaktion um eine verpaßte Chance handelte, ist umstritten.
Mit dem Kreisauer Kreis um Helmuth James Graf von Moltke war Trott seit Anfang 1941 verbunden. Durch seine Dienststellung konnte er hier zahlreiche Informationen einbringen, unermüdlich warb er im Ausland um Anerkennung des Widerstandes. So wenn er Stafford Cripps, inzwischen in der britischen Regierung als Lordsiegelbewahrer, im April 1942 eine Denkschrift mit Vorstellungen eines dezentralisierten Deutschlands innerhalb eines föderalen Europas zukommen ließ. Nationalstaat und ethnographische Grenzen waren Trotts Orientierung. Auch beeinflußt von der Abweisung des Widerstandes durch den Westen sprach er später in seinen Überlegungen für den künftigen Weg von der besonderen Stellung Deutschlands in einem „Europa zwischen Ost und West“. Er war einer der wenigen Kreisauer, die sich für ein Attentat aussprachen.
Trott fungierte als außenpolitischer Berater Claus Schenk Graf von Stauffenbergs, mit dem er eng befreundet war. Bis zuletzt durch Denkschriften und persönliche Kontakte um Rückhalt aus dem Ausland bemüht, signalisierte er wenige Tage vor dem Staatsstreich, daß die Alliierten nach dem gelungenen Umsturz verhandlungsbereit wären, wofür es allerdings keine belastbaren Anhaltspunkte gab. Die Verschwörer hat er damit wohl bestärkt. Fünf Tage nach dem Attentat vom 20. Juli verhaftet, wurde Trott vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 26. August 1944 hingerichtet.
Foto: Adam von Trott zu Solz vor dem Volksgerichtshof 1944: Trotts NS-Gegnerschaft ist von Anfang an belegbar