Stellen Sie sich vor, ein rechter Influencer käme kurz vor der Europawahl auf die Idee, aus einer Online-Aktion eine politische Partei zu machen, genannt „Die Party ist vorbei“ – gemeint als Drohung an die Etablierten – und hätte auf Anhieb drei Sitze erobert. Zum Dank verlost der Parteichef zudem seine künftige Abgeordnetendiät unter seinen Unterstützern. Irre, oder? Aber genau so ist es in Spanien passiert.
Alvise Pérez, geboren 1990 im andalusischen Sevilla als Luis Pérez Fernández, begann seine Karriere tatsächlich als Tellerwäscher. Politisch zog es ihn früh in diverse liberale Organisationen. Ab 2017 war er bei „Ciudadanos“ (etwa: „die Bürgerlichen“) aktiv, zuletzt als Regionalfunktionär in Valencia. Doch nach kritischen Äußerungen, etwa über Migration, Islam und Akteure der Linken, fiel Pérez in Ungnade und verließ die Partei 2019, deren „Wechsel zu einer Mitte-Links-Kraft“ er nicht mitmachen wollte.
Und dann kam Covid: Aktionen gegen die Maßnahmen der sozialistischen Regierung machten Pérez zu einem der bekanntesten Corona-Kritiker Spaniens, woraufhin ihn die Leitmedien endgültig zum „Ultrarechten“ stempelten. Sein Markenzeichen wurden Enthüllungen über linke Politiker und Journalisten, von denen einige mit Klagen reagierten – mal mit gutem, mal mit schlechtem Ausgang für Pérez. Und eigentlich nur, um den ständigen Prozessen per Immunität zu entgehen, entschied er sich, bei der Europawahl anzutreten. Für seinen rein digital geführten Wahlkampf nutzte Pérez seine beträchtliche Reichweite: Fast 600.000 Abonnenten auf Telegram und über 200.000 Follower bei Facebook brachten gut 800.000 Stimmen für seine „Die Party ist vorbei“-Partei. Fast fünf Prozent der spanischen EU-Wähler votierten für „Se Acabó La Fiesta“ (SALF), deren vorwitziges Emblem ein maskiertes Eichhörnchen ist.
Vor allem für die Rechtspartei Vox dürfte es unangenehm werden, denn für Pérez fängt die Party jetzt erst richtig an.
Doch der kleine Nager knabbert vor allem am Stamm der spanischen Rechtspartei Vox. Dabei hegte die zunächst Sympathien, die aber endeten, als Pérez ihren Gesundheitssprecher ins Visier nahm, weil er Covid-Impfungen befürwortete. Der Konflikt gipfelte im Vorwurf, auch Vox sei längst Teil jenes Parteienkartells, das Pérez bekämpfe. Diplomatischer gab sich dagegen deren Chef Santiago Abascal, der kurz nach der Europawahl bekundete, ihn freue jeder, der sich gegen das linke Establishment erhebe.
Und in der Tat: Pérez’ Erfolg reiht sich ein in jene globale Entwicklung, die vor allem eine Reaktion auf den Linksruck in fast allen westlichen Ländern ist und zu deren Köpfen Trump, Le Pen, Meloni oder Alice Weidel gehören sowie im spanischsprachigen Raum der argentinische Premier Javier Milei. Und die zwar die Kritik an Massenmigration, Genderismus, Wokeness etc. eint, die in ihren Idealen und Zielen aber recht heterogen sind, wie diverse Konflikte zeigen.
Während etwa Vox eher nationalkonservativ auftritt, repräsentiert SALF ein rechtsliberales, wenn nicht libertäres Milieu – was an Milei erinnert: Pérez’ Motto „So viel Freiheit wie möglich, so wenig Staat wie nötig“, könnte auch das des Argentiniers sein. Dessen wichtigsten Verbündeten in Spanien, Vox-Chef Abascal, dürfte der selbstbewußte Andalusier auch künftig ärgern, denn eines steht fest: für Alvise Pérez fängt die Party jetzt erst richtig an.
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