© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/24 / 09. August 2024

Aus an der Alster
Islamismus: Nach langem Zögern verbietet Innenministerin Faeser den Trägerverein der Hamburger „Blauen Moschee“
Daniel Holfelder

Er galt seit langem als Außenstelle der iranischen Regierung und zentraler Akteur für den schiitischen Islamismus. Nun hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den Verein Islamisches Zentrum Hamburg“(IZH) und seine bundesweiten Teilorganisationen verboten. Die Polizei durchsuchte 53 Objekte in ganz Deutschland und beschlagnahmte das Vereinsvermögen. Darunter auch die prominente Imam-Ali-Moschee im Hamburger Stadtteil Uhlenhorst, die wegen ihrer blauen Fassade als „Blaue Moschee“ bekannt ist. 

Ministerin Faeser begründete das Verbot mit der „islamistischen, totalitären Ideologie“, die das IZH in Deutschland propagiere. Der Verein wende sich damit „gegen die Menschenwürde, gegen Frauenrechte, gegen eine unabhängige Justiz und gegen unseren demokratischen Staat“. Darüber hinaus unterstütze er die seit 2020 in der Bundesrepublik verbotene Terrororganisation Hisbollah und verbreite einen aggressiven Antisemitismus, so die SPD-Politikerin. Das IZH kann gegen das Verbot beim Bundesverwaltungsgericht klagen. Bislang hat es sich noch nicht geäußert, die Vorwürfe in der Vergangenheit aber stets zurückgewiesen. 

„Iranisches Regime verliert Spionagenest in Deutschland“

Gefordert wurde das Verbot seit geraumer Zeit. Im November 2022 beschloß die Ampelkoalition unter dem Eindruck der landesweiten Proteste im Iran eine Reihe von Maßnahmen, um den Druck auf die Regierung in Teheran zu erhöhen. Dazu zählte auch, „zu prüfen, ob und wie das ‘Islamische Zentrum Hamburg’ als Drehscheibe des iranischen Regimes in Deutschland geschlossen werden kann“. Im November 2023 waren dann 55 Objekte des IZH und seiner Teilorganisationen durchsucht und Beweismittel sichergestellt worden. Deren Auswertung habe die Verdachtsmomente so erhärtet, daß nun das Verbot erfolgte, teilte das Innenministerium mit.

Sowohl die Regierungsparteien als auch die Opposition halten die Entscheidung für richtig. Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour sprach davon, der Schritt sei überfällig gewesen. „Das iranische Regime verliert endlich sein Spionagenest in Deutschland.“ Ähnlich äußerte sich FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai: Das IZH „dient seit Jahren als verlängerter Arm des Mullah-Regimes und verbreitet in dessen Auftrag Propaganda und Hetze gegen Andersdenkende in Deutschland“. Beide Politiker wurden in Teheran geboren und verbrachten den Großteil ihrer Kindheit im Iran.

Dagegen kritisierten Union und AfD, das Verbot komme deutlich zu spät. „In den Sicherheitsbehörden und Expertenkreisen versteht niemand, warum Frau Faeser so lange gebraucht hat, obwohl die Faktenlage längst wasserdicht war“, monierte der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries. Der AfD-Fraktionsvorsitzende in der Hamburgischen Bürgerschaft, Dirk Nockemann, bemängelte: „Jahrelang wurden die Islamisten vom IZH mit Samthandschuhen angefaßt, man ließ sie gewähren und pflegte gegenüber islamistischen Haßpredigern einen toleranten Umgang.“

Beide verwiesen auf die Zusammenarbeit des Hamburger Senats mit der sogenannten Schura, dem Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg, dem das IZH bis 2022 angehörte – obwohl es schon seit 1993 vom Hamburger Verfassungsschutz beobachtet wird. 2012 schloß der Senat einen bis heute gültigen Staatsvertrag mit der Schura. Seitdem ist das Gremium unter anderem mitverantwortlich für den schulischen Religionsunterricht im Stadtstaat.

Auf das IZH-Verbot reagierte die Schura zurückhaltend. „Die Schura Hamburg bedauert die Entwicklung im Zusammenhang mit dem Islamischen Zentrum Hamburg sehr“, hieß es in einer Stellungnahme. CDU-Politiker de Vries warf dem Gremium vor, sich nicht von Islamisten wie dem IZH zu distanzieren. Aus diesem Grund fordere die CDU Hamburg „seit vielen Jahren, die Islamverträge mit der Schura nicht zu verlängern“. Der Hamburger AfD-Fraktionsvizechef, Alexander Wolf, stellte die gleiche Forderung. „Die Staatsverträge mit den muslimischen Verbänden sind gescheitert. Sie kranken seit jeher daran, daß man den Bock zum Gärtner gemacht hat“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. 

Auch der Publizist und stellvertretende Vorsitzende des FDP-nahen Vereins Liberale Vielfalt, Eren Güvercin, stufte die Schura im Interview mit der Welt als „Teil des Problems“ ein. Außerdem griff er den Zentralrat der Muslime scharf an. „Der Zentralrat hat das IZH immer gegen die Vorwürfe verteidigt und beherbergt andere problematische Akteure mit Bezügen zum islamistischen und türkisch-rechtsextremen Milieu“, führte er aus. Tatsächlich hatte der Zentralrat die Mitgliedschaft des IZH nach der Razzia im November 2023 lediglich ausgesetzt, nicht beendet.

Güvercin warnte zudem davor, die Wirkung des Verbots zu überschätzen: „Es wäre blauäugig, davon auszugehen, daß mit dem Verbot das Problem verschwunden ist. Im Gegenteil.“ Als Beispiel zog er die panislamistische Bewegung Hizb ut-Tahrir heran, die bereits 2003 verboten wurde. Heute hätten ihre Ableger Muslim Interaktiv, Generation Islam oder Realität Islam „mehr Reichweite, mehr Einfluß und mehr Mobilisierungspotential denn je“. 

Der Iran bestellte in einer ersten Reaktion den deutschen Botschafter in Teheran ein. Das Verbot sei ungerechtfertigt und stelle „eine schwerwiegende Verletzung der Religions- und Meinungsfreiheit dar“, schrieb der iranische Außenminister, Ali Bagheri Kani, auf der Plattform X. Das Auswärtige Amt befürchtet nach Informationen von NDR und WDR, die iranische Regierung könnte nun das Todesurteil gegen den Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd vollstrecken, der seit 2020 in Teheran inhaftiert ist und 2023 verurteilt wurde. Die iranischen Behörden machen ihn für einen Terroranschlag verantwortlich. 

Unklar ist derweil, was mit der Blauen Moschee geschieht, vor der sich am Tag nach dem Verbot rund 300 Gläubige zum Gebet versammelten. Das Gotteshaus an der Außenalster geht durch das IZH-Verbot in den Besitz des deutschen Staates über. „Wir werden gemeinsam mit dem Innenministerium über die Möglichkeiten einer zukünftigen Nutzung sprechen, die dem Charakter dieses Gebäudes an diesem besonderen Ort gerecht wird“, kündigte Hamburgs Oberbürgermeister, Peter Tschentscher (SPD), an.

Seit 2001 wurden auf Bundesebene – das IZH eingerechnet – insgesamt 21 islamistische Organisationen verboten, darunter etwa der sogenannte Islamische Staat (2014 verboten), die Hamas (2023) oder zuletzt im Juni die Deutschsprachige Muslimische Gemeinschaft.