In den Sitzungswochen des Bundestags ist der Friedrich-Ebert-Platz zwischen Reichstag und dem Jakob-Kaiser-Haus mit seinen Abgeordnetenbüros gesperrt. Dann parken dort, wo einst die Berliner Mauer verlief, die schwarzen Dienstlimousinen. Nur wer über einen Hausausweis des Parlaments verfügt, darf die Polizeiposten passieren.
Nun aber ist Sommer in Bundes-Berlin, was man nicht nur an den Temperaturen merkt, sondern auch daran, daß Touristen hier ungehindert Richtung Spree oder umgekehrt Richtung Brandenburger Tor entlangströmen. Es wird viel geschaut und noch mehr fotografiert. Sehenswürdigkeiten stehen im Mittelpunkt, nicht Mandatsträger. Kurz vor Beginn der Sommerpause ist der Terminkalender der „Berliner Blase“ noch ordentlich gefüllt. Die großen Sender und Medienhäuser, Wirtschaftsverbände, Stiftungen, Fraktionen und nicht zuletzt die Vertretungen der Bundesländer veranstalten zuvor noch ihre Sommerfeste und Empfänge. Wer gut vernetzt ist, sprich viele Einladungen erhält, und über eine ausreichende Kondition verfügt, der kann sich in dieser Vorferienzeit nahezu allabendlich von einem „Event“ zum nächsten hangeln.
Offiziell beginnen die Parlamentsferien mit dem Ende der Sitzungswoche Anfang Juli. Erst am 9. September tritt der Bundestag planmäßig wieder zusammen. Da sich die Koalitionäre noch in letzter Minute auf einen gemeinsamen Haushaltsplan einigen konnten, sind die Chancen gestiegen, daß die Abgeordneten ihre Ferien (oder Wahlkampfauftritte) nicht für eine Sondersitzung unterbrechen müssen. Die Regierung gönnt sich etwas weniger Pause, das Kabinett kommt bereits im August wieder zusammen. Der inoffizielle Startschuß in die politische Sommerfrische ist die Kanzler-Pressekonferenz, in der sich der Regierungschef kurz vor seinem Urlaubsbeginn den Hauptstadtjournalisten stellt. Da ist der große Saal mit der charakteristischen blauen Wand ausnahmsweise stets gut gefüllt, auch wenn sich kaum ein Teilnehmer echten Erkenntnisgewinn aus den Phrasen des „Scholzomaten“ erhofft. Während also die meisten Politiker am Strand, in den Bergen oder bloß im heimischen Wahlkreis weilen und auf den Straßen des Regierungsviertels die Touristen die Szenerie dominieren, herrscht im „Maschinenraum“ des Bundestags der (fast) normale Betrieb.
Denn für Abgeordneten- oder Fraktionsmitarbeiter genauso wie für die Beamten oder Angestellten des Bundestags geht die Arbeit auch in der sitzungsfreien Zeit weiter. Außerdem wird rund um den Reichstag fleißig gebaggert und gewerkelt. So schreitet etwa der Bau des Sicherheitsgrabens und des Besucherzentrums vor dem Westportal voran. Sogar der Erweiterungsbau des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses soll – mit rund zehn Jahren Verspätung und um ein Vielfaches teurer als geplant – in Bälde fertig werden. Und noch ein baulicher Mißstand wurde rechtzeitig vor Ferienbeginn behoben: Nach über einem Jahr Spanplatten-Platzhalterei ist endlich wieder die gläserne Hinweis-Stele vor dem Jakob-Kaiser-Haus (JF 4/24) ersetzt worden. Ein wahres Sommermärchen …