Das politische Europa versinkt in der Augusthitze in seinen traditionellen Dämmerschlaf. Nur die wenigsten Kneipen und Kantinen des Brüsseler Europaviertels haben noch geöffnet. Einzig das Parlament tagte Ende Juli noch, um Dutzende von Ausschußposten zu vergeben. Ich schaue mir das im Entwicklungsausschuß („Deve“) an. In nur zwanzig Minuten sind der Vorsitz und seine vier Stellvertreter wie abgesprochen meist per Akklamation unter dem Parteienkartell der schwarz-rot-grün-gelben Wahlverlierer verteilt.
Nur ein Fidesz-Mann, vor Jahresfrist noch ehrenhafter EVPler, muß zur Kenntnis nehmen, daß er als nunmehriger „Patriot“ – immerhin die drittgrößte Fraktion – als Teil des „Cordon sanitaire“ gegen rechts von einer irakischen Schwedin namens Abir Al-Sahlani ausgebootet wird. Der Ungar protestiert lauthals gegen diesen undemokratischen Mißbrauch und seine Degradierung zur Unperson. Der neue Vorsitz übergeht ihn und ergeht sich in Selbstlob, wie gut der Ausschuß im vergangenen Jahrfünft weltweit die Armut bekämpft und die Demokratie gefördert hat. Dann wird er vom Parlamentsfernsehen abgelichtet.
Ungeliebte Männer landen beim Sprachendienst oder bei der Beschaffung von Kopierpapier und Büroklammern.
Derweil verlangt die frisch wiederbestellte Frau von der Leyen bis Ende August von allen Mitgliedstaaten zwei Vorschläge – Männlein/Weiblein – für die alt-neue Kommission, um selbst als Chefin die Auswahl zu treffen. Zunächst hat sie dazu kein Recht; jede Regierung kann vorschlagen, wen sie will. Zweitens sind gerade vier Frauen an allen Schalthebeln der EU Macht: sie selbst, Roberta Metsola im Parlament, Christine Lagarde an der EZB-Spitze und Kaja Kallas als neue EU-Außenbeauftragte. Mehr „Weiberwirtschaft“ geht kaum.
Allerdings kann sie sich rächen, indem sie ungeliebten Männern nicht die begehrten Wirtschafts-, Geldumverteilungs- und Außenressorts zuteilt, sondern Scherzartikel wie den Sprachendienst oder die Beschaffung von Kopierpapier und Büroklammern.
Heimlicher Bestseller in dem nahen Buchladen ist der spannende Band „QatarGate“ der Le Soir-Journalisten Colart und Matriche. Sie zitieren ausführlich die Ermittlungsergebnisse der belgischen Polizei zu jener gutorganisierten Bande von sieben einflußreichen italo-gräko-wallonischen sozialistischen MdEPs im Menschenrechtsausschuß und europäischen Gewerkschaftsbossen, die sich über Fake-NGOs mit Bargeldkoffern und Preziosen aus Katar, Marokko und Mauretanien als Einflußagenten bestechen ließen. Wohltaten an die Kommissionsspitze und die einschlägigen Aktivitäten anderer Drittstaaten lassen die Autoren aus.
Es handelt sich also wohl nur um die Spitze eines Skandals, der mittlerweile aber schon lieber wieder unter einen großen Teppich gekehrt würde.