© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/24 / 09. August 2024

„Genug ist genug“
Großbritannien: Nach den Messermorden an drei Kindern eines 17jährigen mit ruandischen Wurzeln erschüttern Krawalle das Land / Heftige Debatte um die Folgen der Migration
Paul Leonhard

Großbritannien wird auch in den nächsten Tagen nicht zur Ruhe kommen. Nationalistische und rechte Gruppen dürften weiterhin in mehreren Städten zu Protesten gegen die aus ihrer Sicht ausgeuferte Migration auf der Insel aufrufen. Anlaß ist der Messerangriff eines 17jährigen auf mehrere Kinder in der nordenglischen Hafenstadt Southport am vorvergangenen Montag, Dabei hatte der Einzeltäter drei Mädchen im Alter von sechs, sieben und neun Jahren getötet und weitere fünf Mädchen sowie zwei Erwachsene, die alle an einem Ferienkurs teilnahmen, teils lebensgefährlich verletzt.

Die Polizei konnte den Täter festnehmen, äußerte sich aber zunächst nicht zur Herkunft des 17jährigen, so daß wilde Gerüchte in Umlauf kamen, laut denen es sich bei dem Mörder um einen illegal eingereisten Asylbewerber mit arabischem Namen handeln sollte, der im Visier des Geheimdienstes gewesen sei. In Southport, aber auch in London provozierten angereiste Rechtsextreme zu Krawallen mit zahlreichen verletzten Polizisten. 

Premier Keir Starmer spricht von einem „marodierenden Mob“ 

Danach wurde bekannt, daß Axel Rudakubana am 7. August 2006 als Sohn ruandischer Eltern in der walisischen Hauptstadt Cardiff geboren wurde  und zum Zeitpunkt des Angriffs gemeinsam mit seinen Eltern in einem Zweifamilienhaus etwas außerhalb von Southport lebte. „Mama war eine Hausfrau. Papa war nett. Er ging jeden Tag zur Arbeit. Sie hatten ein kleines Familienauto mit Fließheck“, zitiert die BBC eine Nachbarin. Rudakubana sei ein „ruhiger“ Junge gewesen, der als Kind an seiner Mutter hing und im Musiktheater mitwirkte. Warum es zu der Tat kam, ist noch völlig unklar. Sollte sich der Tatverdächtige bei seiner für den 25. Oktober geplanten Anhörung schuldig bekennen, wird es keinen Prozeß geben, sondern das Gericht könnte die Strafe direkt festlegen.

Die Krawalle haben das gesamte Land erreicht. Die Polizei ordnete die gewalttätigen Protestler der ultrarechten und islamophoben English Defence League zu. Demonstrationen gab es in mehr als 30 Städten. In London, wo der Anteil der weißen Bevölkerung nach mehreren Migrationsschüben unter 45 Prozent liegt, wurde unter dem Motto „Genug ist genug“ auf die seit Jahren anhaltende Migration in Großbritannien aufmerksam gemacht. Die Teilnehmer forderten, die Einreise irregulärer Migranten zu stoppen, und skandierten: „Wir wollen unser Land zurückhaben!“ Im nordirischen Belfast gingen sogar katholische und protestantische Rechte gemeinsam gegen Migration auf die Straße.

Von „marodierenden Mobs“ sprach Premierminister Keir Starmer. Um die Polizei zu unterstützen und die um sich greifenden Krawalle einzudämmen, kündigte er eine Aufstockung der in Bereitschaft stehenden Staatsanwälte, rund um die Uhr arbeitende Sondergerichte und mehr Unterbringungsmöglichkeiten in den Strafanstalten an. Überdies ordnete der zuständige Richter an, daß der in Untersuchungshaft sitzende Täter jetzt namentlich genannt werden darf. So solle verhindert werden, daß Böswillige „in einem Vakuum weiterhin Fehlinformationen verbreiten können und dies einen zusätzlichen Vorwand für eine neue Runde öffentlicher Unruhen liefert“.

Andere Konsequenzen fordert hingegen Nigel Farage, Vorsitzender der Partei Reform UK: „Recht und Ordnung auf unseren Straßen brechen zusammen. Dieser Premier hat keine Ahnung, wie er damit umgehen soll. Wir müssen anfangen, härter zu werden.“ Das Ausmaß der Einschüchterung und der Bedrohung des Lebens habe in einer funktionierenden Demokratie keinen Platz. Vor allem daß so viele Polizeibeamte bei dem Versuch, den Frieden zu wahren, verletzt worden seien, sei schockierend, und „wir sollten den Einsatz der Armee nicht ausschließen, falls sich die Situation weiter verschlechtert“, so Farage. Aber nur ein paar rechtsextremen Schlägern „die Schuld zu geben und zu sagen, das sei die Wurzel unserer Probleme“, funktioniere nicht: „Wir brauchen härtere Gefängnisstrafen für jeden, der ein Messer trägt.“ 

Nigel Farage kritisiert Zweiklassenpolizei 

Auf X fordert Farage die Einberufung des Parlaments als geeigneten Anfang, „eine ehrliche Debatte“ über „die Zersplitterung unserer Gemeinschaften als Folge der massenhaften, unkontrollierten Einwanderung, sei sie legal oder illegal“ zu führen: Eine Bevölkerungsexplosion ohne Integration werde immer schlecht enden. Parallel dazu kritisierte er die Sicherheitskräfte: „Seit dem sanften polizeilichen Vorgehen gegen die Black-Lives-Matter-Proteste hat sich der Eindruck einer Zweiklassenpolizei verbreitet. Die zögerlichen Versuche des Premierministers, die aktuelle Krise anzugehen, haben dieses Gefühl der Ungerechtigkeit nur noch verstärkt.“ „Weiße britische Christen hatten jeden Tag Angst, aus dem Haus zu gehen, nachdem sie jahrelang unter aus der Dritten Welt importierten Terroranschlägen, Straßengewalt, Messerkriminalität und Grooming-Gangs leiden mußten“, erklärte dagegen die rechte Kleinpartei Britain First. 

Angesichts der rechtsextremen Krawalle und vor dem Hintergrund zunehmender Gewalt muslimischer Gruppen berief die britische Regierung am Montag den nationalen Krisenstab ein. Bei den Ausschreitungen wurden nach Angaben der Sicherheitsbehörden seit Samstag mehr als 150 Personen festgenommen.


Foto: Ein „British Patriot“ in Rotherham: „Anti-Invasoren-Proteste, direkte Aktionen und Sabotageaktionen in ganz Großbritannien erforderlich!“ /   Beitrag Seite 1