Nicolás Maduro, der bisherige und nach eigenen Aussagen auch zukünftige Staatschef Venezuelas, ist heiser. Schweiß rinnt ihm von der Stirn und auch die ihn umgebenden Eliten seiner Vereinigten Sozialistischen Partei schauen ernst in die Kameras. Jubelstimmung will nicht aufkommen beim angeblichen Wahlsieger, statt dessen droht Maduro, spricht von „faschistischen Verschwörern“, die im Auftrag „ausländischer Imperialisten“ angeblich die Wahl in Venezuela sabotiert hätten. Dem ehemaligen Busfahrer, dem selbst Parteigenossen ein Charisma-Defizit attestieren, geht es erkennbar um alles: die Macht seiner Partei, das Vermächtnis des großen Übervaters Hugo Chávez und natürlich auch um ihn und seine Familie. Denn nach Jahren der Wirtschaftskrise, Massenflucht und Diktatur dürfte sowohl ihm als auch der Opposition klar sein: Eine friedliche Machtübergabe im Nachgang der Präsidentschaftswahl ist nahezu ausgeschlossen.
Die Opposition, das ist in diesen Tagen vor allem Maria Corina Machado, eine resolute Mittfünfzigerin aus der Oberschicht mit Abschlüssen der besten Universitäten des Landes und guten Beziehungen auch in die USA. Dabei ist Machado nicht einmal die Kandidatin der Opposition. Diese Aufgabe mußte der eher unscheinbare Edmundo González Urrutia übernehmen – eine Notlösung, nachdem Machado als Kandidatin von der regierungsnahen Wahlkommission nicht zugelassen worden war. Nun steht die Ingenieurin auf öffentlichen Plätzen in der Hauptstadt Caracas und kündigt ihrem Gegenspieler Maduro eine „Zeit des Widerstands“ an. So wie auch der Sozialist reklamiert Machado den Wahlsieg für ihr oppositionelles Bündnis. Man habe „eine deutliche Mehrheit“, so Machado, das Regime habe die Bevölkerung von Venezuela „betrogen“.
Tatsächlich stellt sich die Lage deutlich vertrackter dar als noch vor einigen Jahren. Einige Umfragen vor der Wahl sahen die Opposition klar vorn, Wahlbeobachter aus einigen Teilen des Landes sprachen im Nachgang von Unregelmäßigkeiten und Betrugsversuchen bei der Auszählung der Stimmen. Doch während des laufenden Wahltags hielt sich die Opposition mit Beschwerden zurück. Erst nach der Verkündung des offiziellen Ergebnisses der Wahlkommission, die eine Mehrheit von 51 Prozent für den Amtsinhaber und lediglich 44 Prozent für Urrutia festgestellt haben wollte, entlud sich der oppositionelle Ärger auf der Straße.
Zehntausende protestierten in Caracas, in den Provinzen des Landes kam es teilweise zu gewalttätigen Ausschreitungen. Regierungstreue Motorradgangs, die „Colectivos“, schwärmten aus, verprügelten Oppositionelle und bekundeten öffentlich ihre Loyalität zum System. Doch gerade offizielle Stellen im Land, bei Militär und Polizei, zeigten erkennbar Ratlosigkeit. Ein Wahlsieg der Regierungspartei mit lediglich 51 Prozent der Stimmen schien vielen nicht völlig ausgeschlossen, hatte sich doch die Wirtschaftslage im Land zuletzt gebessert. Auch gilt Oppositionskandidat Urrutia als Notlösung. Auf der anderen Seite konnte sich auch Maduro nie der Popularität seines Vorgängers erfreuen – er gilt als langweiliger und korrupter Apparatschik. Vereinzelt kam es zu Verbrüderungen von Einheiten des Militärs und der Polizei mit Demonstranten, andernorts griffen lokale Kommandeure hart gegen die Opposition durch.
Die größte Verwirrung stiftet der Wahlausgang im Ausland. Während eher konservativ regierte Nachbarstaaten in Mittel- und Südamerika Maduros Wahlsieg nicht anerkannten, verhielt sich besonders der große Nachbar Brasilien abwartend. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, selbst Sozialist, mahnte zu Besonnenheit und forderte gleichzeitig „mehr Transparenz“ von Maduro.