Es war der größte Schrecken seit dem Börsencrash vom 19. Oktober 1987, als der Dow-Jones-Index 22 Prozent sank: Am 5. August fiel der japanische Leitindex um 12,4 Prozent auf 25,5 Prozent unter seinem Rekordhoch vom 11. Juli. In Zählern war es der historisch größte Kursrückgang, zeitweise wurde der Handel eingestellt. Südkoreas Börse fiel um 8,8 Prozent. Der Dax fiel um nur drei Prozent, andere europäische Märkte noch weniger. Vor Eröffnung des US-Handels sank die Technologiebörse Nasdaq zeitweise um 6,5 Prozent.
Hintergrund der Turbulenzen ist eine seit Anfang Juli andauernde Korrektur hochbewerteter Aktien. Werte im Technologiesektor, insbesondere Chiphersteller und KI-Aktien, hatten neue Rekordbewertungen erreicht. Nur sieben Aktien waren für einen Großteil des Wertzuwachses im US-Index S&P 500 in diesem Jahr verantwortlich, der Rest, spaßhaft S&P 493 genannt, bewegte sich kaum. Schon vor dem Yen-Crash reduzierten Anleger ihre Risiken und verkauften Aktien. Zu diesem schwachen Marktumfeld kamen schlechte Arbeitsmarktzahlen in den USA, die nach der sogenannten Sahm-Regel auf eine Rezession hindeuten, was die laufende Kurskorrektur untermauerte.
Auslöser des Japan-Fiaskos war dann die erste Zinserhöhung der Bank von Japan seit 15 Jahren von Null auf 0,25 Prozent am 31. Juli. Das ist zwar nicht viel, signalisiert aber eine Trendwende. Gleichzeitig deuteten die US-Zahlen auf eine mögliche Zinssenkung im Dollar hin. Seit Jahren nutzen Anleger wie auch Unternehmen den Yen und den Schweizer Franken der Niedrigzinsen wegen als Finanzierungsquelle für Investitionen in Währungen, die höher verzinst sind. Gewinne entstehen erstens durch den Zinsunterschied und zweitens durch die oft mit Niedrigzinsen einhergehende Abwertung der Niedrigzinswährung. Seit die Zinsspanne zwischen Dollar und Yen enger wird, kaufen manche Anleger geliehene Yen zurück. Das wiederum stärkte schon in den ersten Augusttagen den Wechselkurs zwischen Dollar und Yen. Am Montag dann nahm dies eine Eigendynamik an, der Yen stieg während des Handels in Tokio um drei Prozent. Japanische Unternehmen, deren Exporte vom schwachen Yen profitiert hatten, sahen ihre Gewinnerwartungen mit starken Yen schrumpfen, wodurch sich die Währungsturbulenzen auf die Aktienkurse ausweiteten.
Der plötzlich erstarkte Yen löste im Risikomanagement vieler Anleger Zwangskäufe aus, die den Yen weiter steigen ließen. Das gleiche passierte auch dem Franken, der in wenigen Tagen um drei Prozent stieg. Parallel zu Währungen und Aktien gab es Risikominderung in Öl und Gold, die trotz der Gefahrenlage im Nahen Osten Kurseinbußen erlitten. Strahlender Gewinner des Börsenchaos ist die japanische Zentralbank. Sie versucht seit Monaten vergeblich, durch Intervention die Schwäche des Yen abzufedern. Im Chaos stieg die Währung von 162 auf 142 Yen pro Dollar, ein Niveau, das der Tokioter Zentralbank gefallen dürfte.
Dauerhaft wird das nicht so bleiben, denn trotz der Mini-Zinserhöhung bleibt die Geldpolitik in Japan locker genug, daß eine erneute Yen-Abwertung ansteht. Kurzfristig dürfte sich ein Großteil der durch das Risikomanagement ausgelösten Kurssprünge in Yen und Franken wieder ausbügeln, während Öl und Gold wieder steigen sollten. Im Gegensatz zu den technischen Devisenturbulenzen ist der Rückgang der Aktienkurse, außer im Nikkei, fundamental begründet und dürfte, trotz der anfänglichen Kurserholung am Dienstag, noch Raum nach unten haben.