© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/24 / 09. August 2024

Versteinerung statt Anpassung
Haushalt 2025: Nicht nur der Bundesrechnungshof moniert Platzhalter und Buchungstricks
Dirk Meyer

Das aktuelle Haushaltsgesetz 2024 der Ampel-Koalition ist die auf 3.232 Seiten in Zahlenformat abgebildete rahmensetzende Regierungspolitik des Jahres 2024 – bis auf den Euro in Einnahmen und Ausgaben durchgeplant. Entsprechend legte das Bundeskabinett nach 80 Stunden Beratung am 17. Juli 2024 einen Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 vor. Bis zum Gesetz – vorgesehen ist die Verabschiedung am 20. Dezember – werden in drei Beratungsrunden in Bundestag und Bundesrat noch zahlreiche Änderungen und Konkretisierungen vorgenommen werden.

Doch die Eckdaten stehen: Ausgaben in Höhe von 480,6 Milliarden Euro und damit real drei Prozent weniger als in diesem Jahr; die Kürzungen betreffen das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium (jeweils 900 Millionen); mehr bekommen Arbeit und Soziales (3,6 Milliarden), Digitales und Verkehr (2,5 Milliarden), Verteidigung (1,3 Milliarden) und Familie (600 Millionen); die Schuldenregel wird mit neuen Schulden in Höhe von 43,8 Milliarden Euro formal gerade eingehalten.

Einhaltung der Schuldenbremse lediglich unter Vorbehalt?

Kritisch angemerkt: Der Entwurf ist ein Spiegel der Koalition selbst. Trotz bekundeter „militärischer Zeitenwende“ und Wachstumsinitiative finden die Regierungsparteien infolge auseinanderklaffender Ziele keine Kraft zum Umsteuern der Ausgaben in diese Richtung. Statt dessen kleinster gemeinsamer Nenner, „Versteinerung“ und verfassungsrechtliche Bedenken.

Beispiel Verteidigung: Das Zwei-Prozent-Ziel für Verteidigung wird laut Nato-Berechnung zwar auch 2025 erfüllt. Wie jedoch der gerade veröffentlichte Bundesausgabenmonitor 2024 des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW; Kiel Subsidy Reports 47/24) für das aktuelle Jahr zeigt, schrumpfen die errechneten 2,12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf etwa 1,5 Prozent des BIP, wenn man Zinszahlungen des Sondervermögens Bundeswehr (775 Millionen Euro), Versorgungslasten für Soldaten (5,8 Milliarden Euro), Pensionszahlungen und Beihilfen für ehemalige Mitglieder des Ministeriums (1,8 Milliarden Euro), die Personal- und Sachkosten des Ministeriums (303 Millionen Euro) und Ausgaben für die Universitäten der Bundeswehr in Höhe von geschätzten 200 Millionen Euro abzieht. Potemkinsche Dörfer auch 2025? Weiterhin wachsen die gesetzlich bedingten Sozialausgaben sowie die Zinslasten, letztere aufgrund der Zinswende.

In seiner vorgeschriebenen Stellungnahme moniert der Bundesrechnungshof (BRH) bereits bei der Aufstellung des Haushaltsplans die Abkehr vom langjährig (2011 bis 2022) praktizierten Eckwerteverfahren. Dieses bindet die Bedarfe einzelner Ressorts an die prognostizierten Staatseinnahmen und hat entsprechend disziplinierende Wirkungen. Durch die jetzt verwendeten Finanzplanansätze von 2024 bestehe hingegen „die Gefahr einer ungeordneten Haushaltsaufstellung, in der die Eigeninteressen der Ressorts über das Gesamtinteresse stabiler Bundesfinanzen dominieren“. Auch hier Orientierung am Vergangenen, also eine „Versteinerung“.

Bei dem bereits auf Kante genähten Haushaltsentwurf 2025 fallen zudem mehrere kreative Buchungsansätze auf, die das Risiko eines notwendigen Nachtragshaushaltes oder gar einen gesteigerten Druck zur nachträglichen Aussetzung der Schuldenbremse bis hin zu verfassungsrechtlichen Einwänden sehenden Auges in Kauf nehmen. Als Platzhalter des Prinzips Hoffnung wurden 17 Milliarden Euro in „globalen Minderausgaben“ gebucht. Zwar bestehen zum Jahresende erfahrungsgemäß nicht ausgegebene Haushaltsmittel, allerdings nicht in dieser zweistelligen Größe.

Sodann läßt die Schuldenbremse (Artikel 115 Absatz 2 Grundgesetz) zwar neben einer strukturellen Neuverschuldung von 0,35 Prozent des BIP eine zusätzliche Verschuldung im Falle konjunktureller Probleme zu. Nach bisheriger Berechnung wären das 7,9 Milliarden Euro. Mit Hilfe einer Anpassung im Berechnungsverfahren der Konjunkturkomponente konnte die Schuldenbremse aber um weitere 3,4 Milliarden Euro an Zusatzkredit gelockert werden – bei einer Neuverschuldung von 43,8 Milliarden Euro. Das Problem zukünftiger Regierungen besteht in dem Kontrollkonto, das heutige Überschreitungen in besseren Zeiten zu einer strikteren Anwendung der Schuldenregel zwingen wird.

Um die „globalen Minderausgaben“ zu reduzieren, werden zwei – verfassungsrechtlich bedenkliche – Ideen ins Spiel gebracht. Zum einen könnten die für die Gaspreisbremse ungenutzten Kreditmittel der staatlichen Förderbank KfW für andere Zwecke ins neue Haushaltsjahr übertragen werden. In seinem sogenannten Haushaltsurteil (2 BvF 1/22) hat das Bundesverfassungsgericht bereits im November 2023 eine solche Verschiebung aus dem Klima- und Transformationsfonds untersagt. Zum anderen könnte man zusätzliche Kredite aufnehmen, um damit heute haushaltsbelastende Zuschüsse für Infrastrukturinvestitionen der Bahn und der Autobahn GmbH zu ersetzen.

Entwurf spiegelt die gegenseitige politische Blockade wider

Mit gleichem Ziel könnte man deren Eigenkapital aufstocken. Rein formal erhielte der Bund damit einen Vermögenswert (Gegenwert), so daß dieser als erlaubte finanzielle Transaktion zu werten wäre. Das Problem dabei: Die Investitionen dürften ein Verlustgeschäft sein, das die Kredite letztendlich nicht rückzahlbar macht bzw. das Eigenkapital verbraucht. Damit würden die Kredite zu Zuschüssen, nur eben zu späterer Zeit. Eine weitere Lastverschiebung in Höhe von zwei Milliarden Euro plant die Regierung durch eine Kürzung der Zuschüsse an die Rentenversicherung zum Nachteil der Beitragszahler für 2025 bis 2027.

Als grob fahrlässig wird die Politik des Durchwurstelns für die Gesellschaft und zukünftige Regierungen ab 2028 offenbar werden. Jährliche Tilgungsverpflichtungen aus den schuldenbremsenrelevanten Corona-Notlagenkrediten und den Gas- und Strompreisbremsen (540 Milliarden Euro, jährliche Tilgung 17,4 Milliarden Euro), des Sondervermögens Bundeswehr (100 Milliarden Euro) und den EU-Gemeinschaftsschulden (Anteil von etwa 22 Prozent der 812 Milliarden Euro „NextGenerationEU“-Kredite) werden die Kreditspielräume ab 2028 bis in die 2060er Jahre hinein belasten.

Was wäre angeraten? Erstens ein Subventionsabbau: Transparenz schaffen, frühzeitige Ankündigung, „Rasenmähermethode“ – prozentual gleiche Kürzung, neue Subventionen nur mit Verfallsdatum. Zweitens einnahmen-/ausgabenwirksame Gesetzesreformen: Renteneintrittsalter erhöhen, echte Fachkräftezuwanderung erleichtern, strikte Flüchtlingsbegrenzung, Bürgergeldreform. Dagegen wird jede Regierung den weichen Weg bevorzugen: eine Schuldenentwertung durch Inflation. Schon eine vierprozentige Inflation halbiert den Realwert der Kredite alle 17,5 Jahre.



Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. www.ifw-kiel.de/de/publikationen/der-kieler-bundesausgabenmonitor-2024-eine-empirische-strukturanalyse-des-bundeshaushalts-33123