Halbleiter geht nichts mehr. Deshalb hat weltweit ein Subventionswettlauf begonnen, große Chip-Hersteller ins Land zu holen. Vorreiter dieser Entwicklung sind Asien und die USA. China hat unlängst einen Förderfonds von knapp 44 Milliarden Euro für die heimische Chipindustrie aufgelegt, um im globalen Subventionswettlauf mitzuhalten. Die Corona-Krise hatte gezeigt, wie abhängig die Wirtschaft mittlerweile von den Halbleitern ist. Als die Lieferketten zusammenbrachen, standen vor allem in der Automobilindustrie die Produktionsbänder still. Auf der Liste der Halbleiter-Hersteller kommt erst auf Platz 13 mit Infineon aus Deutschland ein europäisches Unternehmen, Marktführer sind seit Jahren Produzenten in Korea und Taiwan.
Als Corona die Abhängigkeit von den Asiaten offenlegte, reagierte US-Präsident Joe Biden und brachte 2022 den Chips Act auf den Weg, um den heimischen Halbleitermarkt zu stärken. Er stellte 280 Milliarden Dollar Fördermittel bereit für Forschung und Industrie. Davon allein 52,7 Milliarden Subventionen für die Halbleiterindustrie. Die EU möchte mithalten und legt ebenfalls Förderprogramme auf. Es gibt Stimmen, die sagen, daß dies unnötig war. „Die EU hätte vielleicht einfach sagen sollen: Schön, daß die Amerikaner das machen, dann kaufen wir billige Chips aus Amerika, die ordentlich subventioniert sind“, sagt beispielsweise Reint Gropp, Chef des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle. Der Chips Act der EU, der Ende September 2023 in Kraft trat und zu Gesamtinvestitionen von mehr als 43 Milliarden Euro führen soll, mutet regelrecht bescheiden an. Hinzu kommen Fördermittel der Mitgliedsstaaten.
So wurden für Deutschland bisher Investitionen von 50 Milliarden Euro angekündigt, wobei allein das Intel-Werk in Magdeburg bei 30 Milliarden Euro Investitionssumme zehn Milliarden Euro Förderung erhalten soll. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat dies kritisiert. Eine derartige Industriepolitik sei oft von „politischen Fehlern, hohen fiskalischen Kosten und negativen Spillover-Effekten in anderen Ländern“ geprägt gewesen. Es werde zu wenig für Forschung ausgegeben, und steuerliche Anreize kämen häufig nur „den großen, ohnehin etablierten Unternehmen zugute“.
Die knappen Finanzmittel an profitable Unternehmen vergeben
Der taiwanische Halbleiter-Hersteller TSMC hat von der US-Regierung sechs Milliarden Dollar an Zuschüssen bekommen. Dafür soll er zwei Werke in den USA errichten. Dafür gibt es Steuernachlässe und Vorzugskredite obendrauf. „Zum ersten Mal überhaupt werden wir hier in den USA die fortschrittlichsten Halbleiterchips der Welt in großem Maßstab herstellen, übrigens mit amerikanischen Arbeitern“, erklärte Handelsministerin Gina Raimondo. Aber auch Intel werde gefördert.
Die weltweite Nachfrage nach Chips ist hoch. Für 2024 schätzt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW), daß das Marktvolumen bei rund 588 Milliarden Dollar liegen wird. Handelsdaten belegen dabei, daß die EU zunehmend auf Chip-Importe angewiesen ist. Nach Ausreißern im Dotcom-Boom zur Jahrtausendwende und im Aufschwung nach der Finanzkrise werde deutlich, daß der vorläufige Höhepunkt der europäischen Abhängigkeit von Chip-Importen im August 2022 nach den pandemiebedingten Lieferengpässen erreicht wurde, als die Importe mehr als 8,5 Milliarden Euro betrugen. „Auch wenn sie zuletzt etwas gesunken sind, sind die Importe mit rund 4,7 Milliarden Euro im März 2024 noch außergewöhnlich hoch“, teilt das IW mit. Es gebe derzeit einen intensiven Subventionswettlauf bei Chips, in dem die EU mithalten möchte. Aktuell sei die Bedeutung Europas als Chip-Produktionsstandort noch gering und die EU zunehmend auf Importe angewiesen.
„Eine Teilnahme am Subventionswettlauf zur Anlockung von Unternehmen birgt jedoch Gefahren, da knappe Finanzmittel zur Subventionierung von durchaus profitablen Unternehmen verwendet werden“, teilen die IW-Forscher mit. Die EU müsse daher den Zwischenweg zwischen der Versorgung der eigenen, wichtigen Wirtschaftsbereiche und der Nutzung der Möglichkeiten von günstigen Chips, die von anderen Staaten subventioniert werden, finden. Durch die mit hohen Subventionen angelockten Produktionsstätten entstünden zwar hochmoderne Werke. Dabei handele es sich aber um verlängerte Werkbänke ausländischer Konzerne. „Die lokale Wertschöpfung bleibt damit voraussichtlich begrenzt. Gleichzeitig entsteht ein Erpressungspotential zur Erlangung weiterer Subventionen in der Zukunft“, schreibt das IW. Anstatt blind Milliardenfonds aufzulegen, sei Augenmaß gefragt.
Studie „Wo steht die EU im globalen Chip-Wettrennen?“ (IW-Kurzbericht 45/24): www.iwkoeln.de/studien.html