© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/24 / 09. August 2024

Der Flaneur
Bei den Bäumen
Elke Lau

Nach ätzenden Regentagen verlocken heute blauer Himmel und Sonnenschein zum Spaziergang am Fluß Ryck entlang. Unter den zahlreichen Wanderern, Rad- und Rollerfahrern erregt ein Ehepaar mit Hund besonders unsere Aufmerksamkeit. Die drei führen nämlich umfangreiches Gepäck mit sich. Ja, richtig: Nicht nur Frauchen und Herrchen schleppen voluminöse Rucksäcke, auch dem Boxer haben sie – ähnlich wie einem Reitpferd – zwei Packtaschen umgeschnallt. Er trottet stoisch vorneweg, bleibt aber neugierig stehen, als Begleiter Uli ihn freundlich anspricht: „Du bist aber hilfsbereit. Was trägst du denn da Wichtiges?“

Die Besitzer des Vierbeiners freuen sich über unser Interesse. „Wir haben eine Wanderung von der Mecklenburgischen Seenplatte bis Eldena hinter uns“, erklären sie, „unser Bolly transportierte brav einen Teil seiner Verpflegung. Jetzt geht es nach Berlin zurück, aber mit der Bahn.“ Sie sind in Eile, der Zug wartet nicht – wenn er denn überhaupt pünktlich ist.

Wir überlegen, wem wir mit dem gefundenen Strafzettel einen Streich spielen können, und haben eine Idee.

Der wachsende Ausflugsverkehr nervt, wir ändern den Kurs Richtung Arboretum. Dort hatten wir vor vielen Monaten zwei kleine Tannen mit Augen versehen, die gelegentlich nachgeschwärzt werden müssen. Keine zehn Meter neben dem Eingang zum Park stehen drei Radfahrer und starren hilflos auf ihre Handys. „Hier ist es nicht“, seufzt der Älteste.

„Wo möchten Sie denn hin?“ fragt Uli hilfsbereit.

„Ins Arboretum.“

„Da müssen Sie eben nur einen Erwachsenen fragen und nicht Ihr Handy. Sie sind soeben am Tor vorbeigefahren.“ 

Die Touristen bedanken sich etwas verlegen. Wir begleiten sie bis zum Fahrradstellplatz und reparieren schließlich die Augen unserer Adoptivkinder.

Unser Rückweg führt durch eine von Park-Taliban häufig kontrollierte Straße. Es ist Sonntag und kein Auto weit und breit zu sehen. Um so verwunderlicher der herrenlose Strafzettel mitten auf dem Gehweg. Wen können wir wohl damit erschrecken? Lange müssen wir nicht überlegen: Wir klemmen ihn unserer Lieblingsfeindin hinter die Windschutzscheibe, wenn sie mal wieder aus Faulheit in der Parkverbotszone vor dem Haus parkt.





Man kann niemanden überholen, wenn man in seine Fußstapfen tritt.

François Truffaut, französischer Regisseur (1932–1984)