Die meisten werden den Überblick verloren haben, wie viele Behauptungen der Gesundheitsminister Spahn und Lauterbach sowie der anderen Politiker aus der Corona-Zeit inzwischen als Lügen enttarnt wurden. Darüber ließe sich anhand der ungeschwärzt vorliegenden RKI-Protokolle eine Doktorarbeit schreiben. Belassen wir es bei den wichtigsten: „Pandemie der Ungeimpften“ mit massiver Ausgrenzung nicht kleiner Bevölkerungsteile, Maskenpflicht, Impfung – und jetzt auch Gefährlichkeit des Virus‘ allgemein.
Um es kurz zu machen: Die schwersten Grundrechtseinschränkungen seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland beruhten nicht – wie man uns mit dem Spruch „Follow the Science“ jahrelang weismachen wollte – auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sondern auf politischer Willkür.
Die ausführliche Abhandlung des stellvertretenden Bundestagspräsidenten Wolfgang Kubicki (FDP) setzt den bisher aufgedeckten Unwahrheiten die Krone auf. Natürlich kann man bei der Diskrepanz zwischen Reden und Handeln bei Kubicki leicht zu dem Schluß kommen: Ach, der schon wieder! Aber er hat sich, anders als fast alle Journalisten, die Mühe gemacht, die RKI-Files durchzuarbeiten und mit dem zu vergleichen, was vor allem Lauterbach öffentlich erklärte. Sein 13seitiges Dossier unterstreicht auf bisher unbekannter Ebene, wie sehr die angeblichen Corona-Schutzmaßnahmen dem Wissensstand des RKI-Expertenrates widersprachen.
Besonders schwerwiegend ist der von Kubicki belegte Vorwurf, daß Lauterbach nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch den Bundestag und selbst das Bundesverfassungsgericht getäuscht hat. Wenn der Jurist als Koalitionär den Rücktritt des Gesundheitsministers fordert, ist das weniger ein „typischer Kubicki“ als vielmehr die einzige Konsequenz, die in einer funktionierenden Demokratie geboten wäre.
Schließlich geht es hier nicht um eine Petitesse, sondern um den größten Skandal seit der Nachkriegszeit. Die Machthaber – und da machten sich die Politiker aller regierenden Parteien im Rahmen der nichtlegitimierten Ministerpräsidenten-Konferenz gleichermaßen schuldig – sperrten ein ganzes Volk über Jahre ein. Kinder und Jugendliche leiden bis heute unter den Folgen der gesundheitspolitisch niemals gerechtfertigten Schulschließungen. Selbständige wurden in den Ruin getrieben, Alte mußten einsam sterben, und Geimpfte kränkeln unter zum Teil verheerenden Symptomen des von Lauterbach für nebenwirkungsfrei erklärten „Pieks“.
Es gibt eigentlich kaum etwas, wo Politiker, um es vorsichtig auszudrücken, nicht übertrieben hätten. Kubicki belegt auch, daß die „offizielle Zahl der Corona-Toten immer höher ausgewiesen wurde, als es richtig gewesen wäre“. Oder nehmen wir die angebliche Überlastung des Gesundheitssystems: Während der gesamten Corona-Jahre war das nicht ein Mal der Fall. Das mußte das Gesundheitsministerium inzwischen ebenfalls einräumen. Zwei Zahlen machen das besonders deutlich: Bei 3.937 freien Intensivbetten im Januar 2021 wurde Panik angesichts des bevorstehenden Kollaps‘ verbreitet. Und dann? Hat jemand drei Jahre später, als es im vergangenen Januar ohne angebliche Pandemie noch 1.988 waren, eine Angstmacherei der Politik vernommen?
Kommen wir zurück zu den unerhörten Fälschungen bei der grundlegendsten Frage: Wie gefährlich war das Virus überhaupt? Das RKI wollte die Risikobewertung mehrfach deutlich herabsetzen, weil die Fakten gegen ein „sehr hoch“ sprachen. Nicht einmal die Herunterstufung auf „hoch“ ließ Lauterbach zu. Tatsächlich hielt das RKI die Stufe „moderat“ für angemessen. Doch hätte die Politik damit den Menschen noch Angst und Schrecken einjagen können? Wie hätte sich das mit dem von Lauterbach verkündeten „Killer-Virus“ vertragen? Also blieb es aus politischen Motiven bei der höchsten Alarmstufe. Mit der Wirklichkeit hatte das, wie wir heute schwarz auf weiß lesen können, nicht das deringste zu tun. Daß der sogenannte Inzidenzwert „doppelt aufgerundet“ wurde, wie inzwischen ebenfalls zugegeben, paßt ins Bild. Schließlich galt er – gegen den Ratschlag der Experten – als Kriterium für die Maßnahmen.
Kubicki schließt aus dieser Manipulation, dem Gesundheitsminister sei es um die Durchsetzung der allgemeinen Impfpflicht gegangen. Denn erst kurz nachdem diese im Bundestag gescheitert war – nicht etwa, weil die Mehrheit der Abgeordneten dagegen war sondern weil aus politischer Eitelkeit mehrere Anträge fast gleichen Inhalts gegeneinander antraten –, gab Lauterbach den Wissenschaftlern nach.
Doch da hat Kubicki zu kurz gedacht. Vielmehr hielt die Politik mit falschen Risikobewertungen den Druck auf die verängstigte Bevölkerung hoch, rechtfertigte die Lockdowns und das Berufsverbot ganzer Branchen. Daß viele damals zwangsgeschlossene Unternehmen heute die angeblich als Kompensation gemeinten Corona-Hilfen zurückzahlen müssen, macht die Sache noch schlimmer und ist ein Skandal, der die Öffentlichkeit kaum erreicht. Die Zahl der gerade jetzt so rapide ansteigenden Firmeninsolvenzen dürfte auch darin eine Ursache haben.
All dies schreit nicht nur nach den Rücktritten der politisch Verantwortlichen. Das mindeste wäre eine Aufarbeitung der Lügen und Fehler der Corona-Jahre. Nichts davon wird kommen. Kein Untersuchungsausschuß, keine Enquête-Kommission. Der Vorschlag der Grünen, mit sogenannten Bürgerräten auf die Corona-Politik zurückzublicken, ist ein übler, aus Sowjetzeiten bekannter Trick. Denn hier dürften Vertreter regierungstreuer sogenannter Nichtregierungsorganisationen einen Blankoscheck ausstellen. Man kennt das bereits vom entsprechenden Gremium zur Ernährungspolitik – wo der Bürgerrat loyal für veganes Essen plädiert.
„Wir werden einander viel verzeihen müssen“, hat Spahn großmütig zu Beginn der Zwangsmaßnahmen gesagt. Offenbar befürchtete er damals schon, daß all die Unwahrheiten irgendwann auffliegen könnten. Fehler kann und soll man verzeihen – insbesondere da anfangs unklar war, wie gefährlich das Virus tatsächlich war. Daß die Grundrechtseinschränkungen und die Hetze gegen die Kritiker mit fortschreitender Zeit ein nicht begründbares, totalitäres Ausmaß annahmen, daß gelogen, manipuliert und die Wissenschaft absichtlich ignoriert wurde, macht dies schwierig. In erster Linie gehört aber eine Bitte um Entschuldigung dazu. Doch nicht einmal dazu sind Spahn, Lauterbach, Söder und all die anderen Scharfmacher bereit. Wie soll man da eine Aufarbeitung erwarten?