© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/24 / 16. August 2024

Ukraine-Krieg
Gewagter Vorstoß auf Feindgebiet
Ferdinand Vogel

Die Ukraine führt seit etwa einer Woche eine überraschende Offensive in der russischen Oblast Kursk durch und hat dabei bereits mindestens 450 Quadratkilometer erobert. Der Vorstoß hat die russische Militärführung überrumpelt, und die Ukraine hat Hunderte Gefangene gemacht. Obwohl die Offensive zunächst also erfolgreich war und die ukrainische Moral gestärkt hat, bleiben die strategischen Ziele unklar. 

Experten zweifeln, ob die Ukraine genug Ressourcen hat, um die Gewinne langfristig zu halten. Gleichzeitig verlagert Rußland Truppen nach Kursk, um die Offensive zu stoppen, was zumindest eine Entlastung im Donbass bewirkt. Trotz der Erfolge gibt es Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit des Vorstoßes und der Gefahr einer Überdehnung der ukrainischen Versorgungslinien. Entscheidet sich die Ukraine dafür, das Gebiet halten zu wollen, könnte sie hier in überaus verlustreiche Stellungskämpfe verwickelt werden. Kämpfe, bei denen die Ukrainer, bei allem Mut und allem Einsatz, zwangsläufig über weniger Mannstärke verfügen. Schwieriger noch wäre es, wenn die russische Gesellschaft diesen Angriff auf das russische Kernland als Anlaß nimmt, sich noch entschlossener hinter das Regime Putins und den Krieg zu stellen. Das Risiko dieser Konterinvasion ist groß, die strategischen Ziele eher nebulös. Immerhin – die Symbolkraft, den Krieg zum Angreifer zurückgetragen zu haben, die wird den Ukrainern niemand mehr nehmen können.