© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/24 / 16. August 2024

Stephen Fry ist eine britische Ikone. Doch mehr und mehr hadert der Liebling der Nation mit seinem Land.
Frankenstein kehrt zurück
Michael Walker

Stephen Fry gilt als britische Institution, manche halten den Schriftsteller, Dichter, Theater- und Drehbuchautor, Regisseur, Darsteller, Komiker, Journalisten und Moderator gar „für den gescheitesten Mann des Landes“ (Spiegel). Vor allem aber weiß er, als komischer Schauspieler eine schelmische Vulgarität mit der nostalgischen Darstellung eines englischen Gentleman zu verbinden und zugleich „Toleranz“ und „Weltoffenheit“ zu vertreten. In dieser Mischung erkennen sich viele Briten wieder, denn Fry verkörpert Eigenschaften, die das Inselvolk an sich selbst schätzt: Zurückhaltung, Kultiviertheit, Bescheidenheit, Humor und Herzlichkeit. Auf diese Weise stiftet er unfreiwillig etwas, das man bei deutschen Schauspielern und Autoren vergeblich sucht: Identität. Und oft schon ist er als „nationaler Schatz“ bezeichnet worden.

Doch mehr und mehr scheint der 1957 in London geborene bärige Brite mit den Verhältnissen im Land zu hadern. Denn all das – und auch daß er sich politisch als Mann der gemäßigten Linken sieht und stolz darauf ist, in einer „Homo-Ehe“ zu leben, – hat ihn nicht davor bewahrt, als „umstritten“ zu gelten und sich Anfeindungen aus zwei Richtungen zuzuziehen.

Tatsächlich trägt Stephen Fry große Verantwortung dafür, daß Intoleranz und Antisemitismus erwacht sind.

Zum einen seitens der woken Bewegung mit ihrer Absicht, einen neuen Index verbotener Wörter zu schaffen, wogegen sich Fry mit dem ganzen Gewicht seiner gesellschaftlichen Autorität stemmt. Zudem rief er zur „Mäßigung“ auf, als Genderaktivisten die „Harry Potter“-Autorin Joanne K. Rowling, eine Freundin Frys, wegen angeblicher Transsexuellenfeindlichkeit angriffen. 

Zum anderen zog sich Fry erzürnte Reaktionen des großen und sehr lauten propalästinensischen Teils der britischen Öffentlichkeit zu, als er sich nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober in einer skurrilen, vom nationalen TV-Sender Channel Four übertragenen „alternativen Weihnachtsbotschaft“ über die seiner Ansicht nach wachsende Intoleranz im Land, insbesondere des Antisemitismus, bestürzt zeigte. Der Atheist erklärte, nunmehr erstmals seiner jüdischen Identität wirklich gewahr geworden zu sein und ob ihrer Stolz zu empfinden. In den sozialen Medien verurteilten viele den Nachkommen einer österreichischen Jüdin als Heuchler, da ihn nicht in erster Linie das Schicksal des Gazastreifens kümmere. Brendan O’Neill vom Magazin Spiked wies darauf hin, daß gerade die Angriffe wegen Frys Kritik deren Richtigkeit bewiesen.

Doch sollte diesen nachdenklich machen, daß sie aus Kreisen kommen, denen er lange selbst angehörte. Und Frys Hauptkritik an der woken Neuauflage des Tugendterrors der Political Correctness ist nicht, daß sie an sich falsch, sondern daß sie ineffektiv sei. So rekrutiere Sprachzensur etwa paradoxerweise „Menschen für die (politische) Rechte“. 

Tatsächlich kritisiert Fry längst nicht jede Intoleranz. So schweigt er etwa, wenn Einwanderungsgegner verhöhnt und ausgegrenzt werden. Und während er seine Covid-Impfung in der Westminster Abbey öffentlich zelebrierte, äußert er sich nicht zu den Opfern von Lockdown und Impfnebenwirkungen. Tatsächlich trägt Fry, wie viele angeblich Liberale, große Verantwortung dafür, daß der politische Frankenstein der Intoleranz und des Antisemitismus in Großbritannien geschaffen werden und erwachen konnte.