Ein Untersuchungsausschuß ist die mächtigste Waffe, die der Opposition im Parlament zur Verfügung steht. Er kann gegen den Willen der Koalitionsmehrheit eingesetzt werden. Nur ein Viertel der Abgeordneten des Bundestages muß dies verlangen. In der laufenden Legislaturperiode gibt es bereits einen Untersuchungsausschuß zum Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, der zwar schon viele hochinteressante Details aufdeckte, aber unterhalb der Schwelle jeglicher öffentlichen Wahrnehmung tätig ist. Der vor der parlamentarischen Sommerpause eingesetzte zweite Untersuchungsausschuß soll – jedenfalls nach dem Willen der Unionsfraktion – mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das Gremium soll die Rolle von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) beim endgültigen Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie untersuchen. Die Bundesregierung ließ die letzten drei Atomkraftwerke trotz der Energieknappheit infolge der Embargo-Maßnahmen gegen den bisherigen Energielieferanten Rußland am 15. April 2023 endgültig abschalten.
Für die Grünen bedeutete die Abschaltung die Erreichung ihres zentralen energiepolitischen Ziels. In Habecks Ministerium hatten allerdings einige Beamte Zweifel, ob die Energieversorgung in Deutschland nach dem Atom-Aus noch gesichert wäre, und schrieben dies 2022 in Vermerken auf. Darin wurden auch keine Bedenken gegen einen Weiterbetrieb der Atommeiler erhoben. Die politische Ebene von Wirtschafts- und Umweltministerium kam jedoch danach zu einem ganz anderen Schluß und lehnte einen Weiterbetrieb ab, unter anderem aus Gründen der nuklearen Sicherheit. Die Opposition bezweifelt nun, daß eine ergebnisoffene Prüfung überhaupt stattgefunden hat.
Der Vorsitz im Untersuchungsausschuß fiel der Union zu, die damit den hessischen Abgeordneten Stefan Heck (41) betraute. Der faßte die bisher bekannten Details in einem Interview zusammen: „Wir müssen momentan davon ausgehen, daß die Minister Habeck und Lemke (Umwelt) die Wähler über den Ausstieg aus der Kernenergie nicht zutreffend informiert und in der Öffentlichkeit die Unwahrheit gesagt haben.“ Hinzu komme, daß es erhebliche Unregelmäßigkeiten bei der Aktenführung in den Ministerien und Manipulationen an entscheidungserheblichen Akten gebe. „Offenbar war hier Ideologie wichtiger als eine gründliche Prüfung des Sachverhalts“, erklärt Heck.
Viel Zeit bleibt dem Ausschuß für seine Arbeit nicht. Vor der Sommerpause des nächsten Jahres im Juli muß der Abschlußbericht fertig sein, damit er noch vor der Bundestagswahl im Bundestag diskutiert werden kann. Heck will die Möglichkeiten des Untersuchungsausschusses nutzen, um schnell zum Ziel zu kommen. „Ähnlich wie ein Strafrichter kann auch der Untersuchungsausschuß die Strafprozeßordnung anwenden: Wir können Zeugen anhören, die einer Wahrheitspflicht unterliegen, und wir können Akten beiziehen.“ Theoretisch kann der Ausschuß sogar Ordnungsgelder verhängen oder Personen in Haft nehmen lassen.