Den 300. Geburtstag ihres Namenspatrons wollte die Kant-Gesellschaft mit einem internationalen Kongreß im heute russischen Königsberg, der Heimatstadt des Philosophen, feiern. Doch nach Kriegsbeginn in der Ukraine plante der Vorstand um. Ein Königsberg, das infolge des 1945 verlorenen Krieges zu einem Rußland gehört, das heute selbst einen Angriffskrieg führe, schien ihr als Tagungsort unangemessen. Statt dessen versammeln sich die Kant-Experten im September in Bonn – „im westdeutschen Provinzialismus“, wie der Basler Philosoph Gunnar Hindrichs spottet (Merkur, 7/2024). Doch immerhin sei schon eine würdigere, weil hauptstädtische Ehrung des Denkers gelungen, durch einen Festakt der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Redner war Bundeskanzler Olaf Scholz, der über Kants Spätschrift „Zum ewigen Frieden“ sprach. Damit habe der 300. Geburtstag leider „im Zeichen des Krieges“ gestanden. Denn Scholz’ Rede endete mit dem Appell, daß es in der Ukraine keinen Frieden um jeden Preis geben dürfe, sondern nur einen „Frieden zum rechten Preis“. Mit dem rechts-, geschichts- und religionspolitischen Gehalt der Friedensschrift sei eine solche Interpretation unvereinbar. Eröffne sie doch die Perspektive auf einen Frieden, der mehr wäre als ein Waffenstillstand. Was Scholz aber mit seiner Kant-Klitterung in Aussicht stelle, sei der noch zu stiftende Friede eines ewigen Friedens mit der globalen Herrschaft des kapitalistisch-liberalen Systems. Der Ukraine-Krieg diene somit der Stabilisierung dieser „Friedensordnung“, so wie alle seit 1990 geführten westlichen „Weltordnungskriege“. (wm)
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