Lateinamerika ist die Weltregion mit der höchsten sozialen Ungleichheit. Aber der Rohstoffboom, den das im globalen Norden ausgerufene „post-fossile Energiezeitalter“ dort auslöste, wo die Hälfte der weltweiten Lithium-, 40 Prozent der Kupferreserven und ein Fünftel der Zink- und Zinnvorkommen lagern, könnte nach Ansicht der Politologen Hans-Jürgen Burchardt und Hannes Warnecke-Berger (Uni Kassel) in Chile, Peru oder Bolivien die Staatskassen füllen. Mit dem Geld ließen sich die Infrastruktur, das Bildungs- und Gesundheitssystem verbessern, so daß eine breitere Bevölkerung von der Rohstoff-erschließung profitiert (Welt-Sichten, 3/2024). Tatsächlich habe sich seit Beginn der Corona-Pandemie die soziale Ungleichheit vertieft. Was für die Kasseler Sozialwissenschaftler aber nicht den Vorwurf des „grünen Kolonialismus“ rechtfertigt, der den Globalen Süden zum Rohstofflieferanten degradiere. Damit verharmlose man „brutale Gewaltverhältnisse der historischen kolonialen Ausbeutung“. Anders als Europas einstige Kolonien sei Lateinamerika auch nicht „unterentwickelt“. Vielmehr stehe seiner nachhaltigen Entwicklung in Richtung grüner Industrie und Klimaneutralität nur die „exzessive Reichtumskonzentration“ entgegen, die verhindere, daß neue Technologien wie das E-Auto einen Massenmarkt erreichen. (dg) www.welt-sichten.org