© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/24 / 16. August 2024

Frisch gepresst

Geopolitische Planspiele. Um die „brisanten und gefährlichen Entwicklungen“ in der Weltlage des 21. Jahrhunderts zu verstehen, verweist Erich Vad auf die alten, aber „brandaktuellen“ Schriften Carl Schmitts: auf den „Begriff des Politischen“ (1932) zum Verständnis anthropologisch konstanter Freund-Feind-Konstellationen und auf „Land und Meer“ (1942), um die heutige „systemische Rivalität“ zwischen der Seemacht USA und der Landmacht China präzis zu erfassen. Nichts gegen die Orientierung an einem Klassiker vom Kaliber Schmitts. Wenn Vad, der ehemalige militärpolitische Berater Merkels, ihn nur gründlicher studiert hätte. Was fehlt, ist die produktive Rezeption von Schmitts Einsicht in den Zerfall des modernen Nationalstaats, an dem „indirekte Gewalten“ und „anonyme Mächte“ erfolgreich arbeiten. Vad, der in seiner geopolitischen Lageanalyse die Voraussetzungen für eine eigenständigere, wenn auch weiterhin transatlantisch verankerten  Position Europas im „Kampf der Kontinente“ (Sven Hedin) prüft, geht jedoch davon aus, daß in West- und Mitteleuropa auch künftig ethnisch-kulturell homogene, „funktionierende“ Nationalstaaten existieren, die sich als „Wertegemeinschaft“ gegenüber den USA und China behaupten müssen. Wenig überraschend ist es daher, wenn seine Planspiele nichtstaatlichen Akteuren, Schmitts „anonymen Mächten“, kaum Beachtung schenken. Daher kommt die von „Nichtregierungsorganisationen“ forcierte  Masseneinwanderung bei ihm lediglich als „sicherheitspolitische Bedrohung von Europas Südflanke“ vor. Und deren Folgen werden mit „Spaltung der europäischen Gesellschaften“ kaum angedeutet. (wm)


Erich Vad: Abschreckend oder erschreckend? Europa ohne Sicherheit. Westend Verlag, Neu-Isenburg 2024, gebunden, 238 Seiten, 24 Euro




Volksaufstand 1953. Die Erinnerungskultur zum 17. Juni 1953 ist dominiert von Bildern aus Ost-Berlin oder allenfalls den DDR-Bezirksstädten. Daß es auch in Kleinstädten und ländlichen Regionen zu Protesten, Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen kam, darauf weist Johannes Beleites, Beauftragter des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur,  im Vorwort der kleinen Broschüre hin, die der Heimatverein Langeneichstädt herausgegeben hat. Angeregt vom 70. Jahrestag im vergangenen Jahr konnte im Juni 2024 ein wichtiger Beitrag zur Geschichte von unten vorgelegt werden. Dieser lobenswerte Mosaikstein eines Schicksalstages von nationaler Tragweite spiegelt die Ereignisse und wichtige Protagonisten im Raum Mücheln südlich von Halle an der Saale anhand zahlreicher Zeitzeugenberichte und amtlicher Quellen der Volkspolizei lebhaft wider. (bä)

Gottfried Backhaus: Aus der ­Geschichte ­Langeneichstädts. Der Volksaufstand vom 17. Juni 1953. Mücheln 2024, broschiert, 84 Seiten, für Schutzgebühr von 5 Euro zu beziehen beim Heimatverein Langeneichstädt e.V., Pfarrgasse 8, 06268 Mücheln