© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/24 / 16. August 2024

Der Flaneur
Lieber weltfremd
René Langner

Guten Abend. Haben Sie vielleicht ein paar Minuten Zeit?“– „Wie kann ich helfen?“ will ich von der freundlichen Dame aus dem Erdgeschoß wissen. Sie bittet mich herein und teilt mir mit, daß sie keine Hilfe benötigt, sondern ein paar Fragen hat.

Während wir uns setzen, kommt mir in den Sinn, daß das Gesprächsthema mit meinen Kindern zu tun haben könnte: War mein Sohn unhöflich? Hat sich meine Tochter einen übertriebenen Spaß erlaubt? Nichts dergleichen. Etwas zurückhaltend, ja fast schon schüchtern beginnt die Frau die Unterhaltung: „Ich weiß nicht so recht, wie ich es erklären soll. Aber ich habe das Gefühl, als gehöre ich nicht mehr in diese Welt.“

Auf meine fragenden Blicke fährt sie fort: „Es sollte eine schöne Geburtstagsfeier werden. Aber statt gemütlichem Zusammensein ist es beinah eskaliert.“ Noch bevor ich nachhaken kann, worum es genau geht, meint sie weiter, es habe „ganz banal“ begonnen. „Wir haben über das Klima gesprochen. Als ich erklärte, warum ich bei dieser Debatte nicht mehr mitmache, war ich plötzlich die uneinsichtige alte Frau, die mit ihrem Verhalten schuld an der Misere sei.“

Trotz des Altersunterschieds haben wir eine Menge ähnlicher Ansichten, 

stellen wir fest.

Ich muß ein wenig schmunzeln. Nicht weil das Thema so paradox erscheint, sondern weil ich mich sehr oft genauso fühle. Ohne eine Pause zu machen, redet sie sich ihren Ärger von der Seele: „Als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, ging es munter weiter: Emanzipation, Gendern, Krieg und Frieden. Zum Glück sind wir nicht mehr zu den Themen Migration und Politik gelangt!“

Wir plaudern noch eine ganze Weile über dies und das und kommen zu dem Schluß, daß wir trotz unseres recht großen Altersunterschiedes eine Menge ähnlicher Ansichten haben. „Wissen Sie, was das Schlimmste für mich war?“ sagt sie am Ende des Gespräches. „Als meine Tochter zu mir sagte, ich sei weltfremd geworden.“

„Vielleicht ist es gar keine schlechte Sache, ab und an ein wenig weltfremd zu sein“, sage ich ihr zum Abschied. „Aber es heißt doch immer, wer nicht mit der Zeit geht, der wird einsam enden.“ Die Antwort darauf findet sie dann ganz von selbst: „Nun ja, dann bin ich lieber gelegentlich ein wenig einsam als in Gänze völlig verrückt.“


Ist es nicht erstaunlich, wie viel Zeug wir am Tag vor den Ferien geregelt kriegen?

Zig Ziglar (1926–2012), US-Autor und Motivationsredner