Andreas Braun ist richtig sauer. Hatte er nicht beispielhaft kooperiert? Hatte er nicht all die Tatvorwürfe der Staatsanwaltschaft eingeräumt: Untreue, versuchten Betrug, Bestechung, Bestechlichkeit? Hatte er nicht reumütig um eine Bewährungsstrafe gebeten?
Und jetzt hat das Landgericht Stuttgart den früheren baden-württembergischen Landesvorsitzenden der Grünen zu vier Jahren und neun Monaten Haft verurteilt – ein höheres Strafmaß, als die Anklage gefordert hat. Die Kleinen hänge man, die Großen lasse man laufen, so der ehemalige Leiter der Auslandsabteilung am Klinikum Stuttgart während der Verhandlung. Die Wirtschaftsstrafkammer sah es als erwiesen an, daß Braun, als er durch Akquise ausländischer Privatpatienten helfen sollte, das Defizit des Klinikums zu senken, sich selbst bereichert hat. So kam es bei der Behandlung libyscher Patienten und bei einer Klinik-Kooperation mit Kuwait, wo ein Krankenhaus gebaut werden sollte, zwischen 2012 und 2016 zu massivem Abrechnungsbetrug. Den Schaden für das Krankenhaus bezifferte die Staatsanwaltschaft auf elf Millionen Euro. Wie die Bild-Zeitung berichtete, habe die Klinik auch Hotelkosten und ein Taschengeld für Begleiter der ausländischen Patienten übernommen, um diese „bei Laune zu halten“. Weil einige Hotelzimmer „nach dem Aufenthalt feiernder Araber nicht mehr wiederzuerkennen gewesen“ seien, mußten auch die Reinigungskosten beglichen werden.
Braun hatte den gutdotierten Job (rund 10.000 Euro im Monat), wie er einräumte, ohne Vorkenntnisse ergattert und allein seinen Kontakten als Landeschef der Bündnisgrünen zu verdanken. Außer politischen Erfahrungen besaß er keinerlei Qualifikationen für diesen Managerposten. Der Richter bescheinigte, daß in der von Braun geleiteten Abteilung „dilettantisch und chaotisch gearbeitet“ wurde und diese innerhalb der Klinik ein Eigenleben ohne Aufsicht und Kontrolle führte. Braun habe ohne Rechtsgrundlage ständig Ausgaben genehmigt und vollkommen überhöhte Rechnungen abgezeichnet, sein Vorgehen verschleiert und gezielt Menschen manipuliert. Über „Kick-back-Zahlungen“ habe Braun profitiert, er sei bestechlich gewesen und habe 65.000 Euro an Schmiergeld kassiert, so der Richter. Prächtig mitverdient hätten auch dubiose Dienstleiter und Patientenvermittler. Zwei Vermittler von arabischen Patienten sind bereits zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.
Braun dagegen behauptet, daß sich die gesamte Klinik in einem Zustand „organisierter Verantwortungslosigkeit und Organisationsversagens“ befunden habe, und solange er finanziell erfolgreich gewesen sei, habe man ihn als „Retter des defizitären Klinikums“ gefeiert. Als dann aber Schwierigkeiten auftraten – und „Geschäfte mit Arabern“ seien schwierig –, „hat man mich sehenden Auges auflaufen lassen“, so Braun vor Gericht. Die Grünen hatte er schon während seiner Untersuchungshaft 2018 verlassen, weil er sich von ihnen im Stich gelassen fühlte.
Die Aufklärungsarbeit in der Sache ist noch nicht zu Ende. Auch Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) und zwei weitere hochrangige Klinikmitarbeiter stehen vor Gericht.