© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/24 / 23. August 2024

Faeser muß Federn lassen
Juristische Klatsche: Die Innenministerin scheitert mit ihrem „Compact“-Verbot vor dem Bundesverwaltungsgericht
Sven Versteegen

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigte sich kämpferisch in ihrer Bemühung, das Compact-Magazin zu verbieten (JF 31-32/24). Die Niederlage im Eilverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vergangene Woche gestand sich die Volljuristin zwar ein. Dies sei jedoch „ein ganz normaler Vorgang“. Sie versicherte: „In unserem Handeln gegenüber Verfassungsfeinden werden wir keinesfalls nachlassen.“

Für das kommende Hauptsacheverfahren ist die Verfassungsministerin optimistisch gestimmt. Das Ministerium werde seine „Rechtsauffassung für das Verbot im Hauptsacheverfahren weiter umfassend darlegen und den prägenden Charakter der Verfassungsfeindlichkeit weiter substantiieren“, sagte ein Sprecher der JUNGEN FREIHEIT.

„Auch die bei den richterlich angeordneten Durchsuchungen im Zuge des Vollzugs des Vereinsverbots sichergestellten Beweismittel dürfen weiterhin in das Hauptsacheverfahren einfließen und werden vom BMI derzeit entsprechend ausgewertet.“ Compact schaffe ein „gesellschaftliches und politisches Klima der Ausgrenzung dieser Bevölkerungsgruppen“ und verbreite zudem antisemitische Inhalte. Mit diesen Argumenten hatte Faeser Mitte Juli auch das Verbot des Magazins gerechtfertigt.

Davon waren die Richter nicht überzeugt. Im Gegenteil bestünden erhebliche Zweifel, „ob angesichts der mit Blick auf die Meinungs- und Pressefreiheit in weiten Teilen nicht zu beanstandenden Beiträge in den Ausgaben des ‘Compact-Magazins für Souveränität’ die Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz verletzenden Passagen für die Ausrichtung der Vereinigung insgesamt derart prägend sind, daß das Verbot unter Verhältnismäßigkeitspunkten gerechtfertigt ist.“

Anstatt eines Verbotes gebe es mildere Mittel, um eine mögliche verfassungsfeindliche Zeitschrift zu verbieten. Beispielsweise könnten die Behörden „presse- und medienrechtliche Maßnahmen, Veranstaltungsverbote, orts- und veranstaltungsbezogene Äußerungsverbote sowie Einschränkungen und Verbote von Versammlungen in den Blick nehmen“.

Da die Vollziehung des Vereinsverbotes zur sofortigen Einstellung des gesamten Print- und Onlineangebots führe, das den Schwerpunkt der Tätigkeit von Compact ausmache, komme den Grundrechten „der Meinungs- und Pressefreiheit“ ein „besonderes Gewicht“ zu, das höher zu gewichten sei als das eigentliche Verbot.

Keine Bedenken äußerte das Gericht dagegen, daß bei dem Verbot auf das Vereinsrecht zurückgegriffen wurde. Auch formell gebe es keine Zweifel an der eigentlichen Verbotsverfügung. Zudem gebe es Anhaltspunkte, daß „einzelne Ausführungen“ in dem Magazin eine Verletzung der Menschenwürde darstellten und viele Beiträge eine „kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen“ zeigten. Nun darf Herausgeber Jürgen Elsässer Compact bis zum Urteil im Hauptsacheverfahren wieder veröffentlichen.

„Bärendienst im Kampf gegen Rechtsextremismus“

„Sieg“, schrieb er dazu auf dem Kurznachrichtendienst X. In offiziellem Rahmen verkündete er vor Pressevertretern in Berlin: „Wir haben obsiegt über die autoritären, um nicht zu sagen, faschistischen Übergriffe von Nancy Faeser. Es ist ein Sieg von David gegen Goliath, ein Sieg der Demokratie über die Diktatur.“ Auf Rückfrage revidierte er seine Aussage leicht. Das Urteil habe sein Vertrauen in „das System“ gestärkt. Eine „friedliche Revolution“ von unten, wie in der DDR, halte er nicht länger für nötig. 

Letztlich ist Elsässer erfreut, sein Magazin wieder verkaufen zu dürfen. Wenn auch etwas holpriger, hat doch die Polizei weiterhin alle Unterlagen, wie etwa Abo-Karteien. Sämtliche Gegenstände der Redaktion wurden beschlagnahmt, die Embleme der Firma verboten, die Konten gesperrt. Die Asservatenliste betrage mehr als hundert Seiten, so Elsässers Rechtsanwalt Laurens Nothdurft. Büromöbel und Computer erhielt Elsässer am Dienstag zurück. Triumphierend schrieb er: „Jetzt kann mich keiner mehr stoppen.“ Sein Anwalt hatte befürchtet, daß die Rückgabe „kompliziert“ werde. Das Verbot sei vom Bund erteilt worden, die Razzien allerdings durch verschiedene Landespolizeieinheiten durchgeführt worden.

Deutlich ungemütlicher wurde hingegen das politische Nachbeben im Innenministerium. Kritik kam – wenn auch nicht von allen Seiten – nicht nur von der AfD. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), warf Faeser vor, nicht sorgfältig gearbeitet zu haben: „Gerade als Innenministerin müßte sie wissen, daß die Meinungsfreiheit ein essentielles Grundrecht ist“, sagte der Abgeordnete. „So wurde dem Kampf gegen Rechtsextremismus ein Bärendienst erwiesen.“ Einen Gang zurück schaltete FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki. Hatte er noch vor dem Urteil einen Rücktritt Faesers im Falle einer Niederlage gefordert, so vertagte er diesen nun. „Verfassungsministerin Nancy Faeser hat sich auf juristisch extrem dünnes Eis begeben und ist eingebrochen. Sollte sie auch im Hauptsacheverfahren scheitern, war es das“, sagte der Bundestagsvizepräsident. Das Hauptsacheverfahren wird voraussichtlich in zwei Jahren abgeschlossen. Ob Faeser dann noch Ministerin oder die FDP im Bundestag vertreten ist – fraglich.

Deutliche Worte fand das AfD-Sprecher-Duo. Die Innenministerin habe „die bürgerlichen Freiheiten mit Füßen“ getreten. „Für ihren dreisten Angriff auf die Pressefreiheit muß Nancy Faeser ihren Hut nehmen oder entlassen werden“, forderten Alice Weidel und Tino Chrupalla.