Lange Zeit galt es als zentraler Treffpunkt der Linksextremen: das sogenannte Kulturzentrum KTS in Freiburg im Breisgau. Wie die meisten von der Antifa dominierten Zentren ist auch die KTS Mitte der neunziger Jahre aus der Hausbesetzer-Szene heraus entstanden. Damals hatte man die ehemalige Vauban-Kaserne im Freiburger Stadtteil Wiehre für sich in Beschlag genommen. KTS ist die Abkürzung für „Kulturtreff in Selbstverwaltung“.
Zwar ist schon auf den ersten Blick klar, daß es sich bei dem graffitibeschmierten Bau um eine Immobilie der linksradikalen Szene handelt. Doch seine Besucher wirken weitaus weniger konspirativ, weniger abweisend. „Gerade erst hatten wir wieder eine Soli-Party“, erzählt einer der Besucher, als sich die JUNGE FREIHEIT inkognito vor Ort umhört. Der junge Mann um die Zwanzig mit Lockenkopf und leichtem Stoppelbart wirkt auf den ersten Blick nicht wie jemand, der mit der gewaltbereiten Antifa sympathisieren würde. Erst als er weiterredet, wird seine politische Gesinnung deutlicher. „Wir haben da Spenden für die Palästinenser gesammelt, es ist wichtig, daß sich jetzt alle mit den Opfern des faschistischen Aggressors solidarisieren.“ Mit dem Aggressor meint er Israel.
Den Hamas-Überfall vom 7. Oktober vorigen Jahres läßt er als Argument für den israelischen Angriff nicht gelten. „Wenn man sich ansieht, in welchem Elend Israel die Menschen in Gaza hält, dann waren die Taten der Hamas zwar schlimm, aber lediglich die Folge davon“, argumentiert der KTS-Besucher. Die KTS selbst sieht er als „natürlich links, aber absolut friedfertig“, an.
Wer länger dasteht, macht sich verdächtig
2017 hatte die Polizei noch Schlagstöcke, Butterfly-Messer, Zwillen und Elektroschocker im Rahmen einer Durchsuchung in dem Gebäude sichergestellt. Dem Verfassungsschutz Baden-Württembergs zufolge galt die KTS seinerzeit als zentrale Anlaufstelle der Autonomen Antifa, die die Behörde als gewaltbereite linksextremistische Gruppierung einstuft und sie auch in Verbindung mit der inzwischen verbotenen Internetplattform „Indymedia Linksunten“ gebracht hatte. Auf der Plattform war es seinerzeit mehrfach zum Aufruf zu Straftaten gekommen. Auch Anleitungen zum Bau von Molotowcocktails wurden dort veröffentlicht.
Gleichzeitig förderte die Universitätsstadt, in der die Grünen die größte Fraktion im Stadtrat stellen, den Treffpunkt mit einer Summe von mehr als 280.000 Euro pro Jahr. Und auch für das Jahr 2024 sind Haushaltsmittel in Höhe von 216.000 Euro für die KTS eingeplant.
„Damals war das noch ein anderer Treff. Aber jetzt sind hier andere Leute“, meint der Besucher. Die sogenannte Autonome Antifa gebe es hier inzwischen nicht mehr. „Der harte Kern von denen arbeitet mit der Antifaschistischen Initiative in Heidelberg zusammen.“ Einige sollen ihr Quartier jetzt in der nordbadischen Universitätsstadt am Neckar aufgeschlagen haben. „Ein paar von denen sind da jetzt im OBG“, verrät der Mann. Die JF folgt der Fährte. Hinter dem OBG verbirgt sich ein sogenanntes Solidarisches Kollektiv in der Oberbadgasse 6, mitten in der Altstadt von Heidelberg. Massen von Touristen strömen hier über den Heidelberger Marktplatz, von dem unscheinbar die Oberbadgasse abzweigt. Nur wenige Meter trennen den Trubel und die Postkartenidylle von einem mit Graffiti beschmierten Haus. Der Eingangsbereich: wenig einladend. Holzbretter versperren ein Tor zum Innenhof. Mülltonnen stehen davor. Und ein altes Sofa mit kleinem Plastikhocker daneben. Ein Plakat von Akut, einem Ableger der Interventionistischen Linken (IL), hängt an den Holzlatten. Ebenfalls prangt dort ein schwarzer Aufkleber, auf dem eine in einer Hängematte liegende schlafende Gestalt und darüber eine lächelnde Sonne abgebildet ist. „Arbeit? Nein Danke!“ steht darauf geschrieben.
Das scheint sich auch ein junger Mann mit längerem schwarzen Haar zu denken, der aus dem Gebäude kommt und sich Zigarette rauchend auf das Sofa wirft. Wer länger vor dem Haus stehenbleibt, wird von ihm mißtrauisch beäugt. Ansprechen läßt er sich nicht, auf Fragen schweigt er, zuckt mit den Schultern, grinst. Keine Antwort darauf, wer hier wohnt, noch darauf, wem das Haus gehört. Auch nicht auf die Frage, warum Holzbretter das Tor zum Innenhof versperren. Eine Reaktion, die schon mehr nach autonomer Antifa aussieht als die des deutlich redseligeren KTS-Besuchers von Freiburg.
Ein rechteckiges Loch im Beton dient dem Haus als Briefkasten. Versehen mit zwei Namensschildern: Kollektivhaus Oberbadgasse e.V. und OBG GmbH. Unter dem Briefkasten: ein mit Schrauben befestigtes metallenes Schild mit der Aufschrift „Antifa-Area“. Handelt es sich hierbei tatsächlich um einen neuen Unterschlupf für die Autonome Antifa?
Zumindest führen Spuren von hier aus zurück in die südbadische Stadt am Schwarzwald. Denn das Domizil des Solidarischen Kollektivs Oberbadgasse 6 ist Teil der Mietshäuser Syndikat GmbH mit Sitz in der Adlerstraße 12 in Freiburg. Dort, auf dem Grethergelände, in einem Komplex mit hundert Bewohnern, befindet sich die Syndikat-Zentrale. Bundesweit unterstützt die Organisation Wohnprojekte aus der Hausbesetzer-Szene, aus der das Mietshäuser-Syndikat selbst hervorgegangen ist. Ihr Ziel: die Entprivatisierung von Wohnraum.
Deutschlandweit unterhält das Syndikat knapp 200 solcher Wohnprojekte, die zumeist auch Linksradikalen aus der Antifa-Szene als Unterschlupf und Rückzugsort dienen. Das Prinzip dabei ist stets gleich: Die jeweiligen Wohnprojekte werden Eigentum einer aus der Szene heraus gegründeten GmbH, in der ein entsprechender Hausverein sowie das Mietshäuser Syndikat Gesellschafter werden. Über den Verein verwalten die Mieter die jeweilige Immobilie selbständig. Eine Stimmenparität innerhalb der GmbH sorgt dafür, daß ein eventueller Verkauf der Immobilie nur einvernehmlich möglich ist. Die Mietshäuser Syndikat GmbH wiederum ist Besitzer sämtlicher der 200 Wohnprojekte. Ebenfalls auf dem Grethergelände befindet sich der von der Stadt bezuschußte linksradikale Sender Radio Dreyeckland, ein in den siebziger Jahren aufgebauter ehemaliger Piratensender, für den einst auch der heutige Moderator des ARD-Politmagazins „Moniror“, Georg Restle arbeitete. Im Januar vergangenen Jahres hatte die Polizei auch Räumlichkeiten von Radio Dreyeckland im Visier, durchsuchte die Büros des Senders sowie Privatwohnungen. Der Grund: Der Sender hatte in einem seiner Artikel das Archiv von „Indymedia Linksunten“ verlinkt.
Im Juni dieses Jahres hat das Karlsruher Landgericht einen der Redakteure freigesprochen. Die Richter sahen darin keine Unterstützung einer verbotenen Vereinigung. Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Revision ein.
In der kommenden Ausgabe lesen Sie in Teil 8 dieser Reportage über die Vorgänge in den Antifa-Areas von Bremen.
Fotos: Polizisten durchsuchen 2017 nach dem Verbot einer linksextremistischen Internetplattform die KTS: „Jetzt sind hier andere Leute“ , Plakat und Aufkleber am Heidelberger Kollektivhaus Oberbadgasse: Neuer Unterschlupf